Stichworte: Arthropoden, Eukaryoten, Fauna, Lupenbild, MikroskopieBewie's Mikrowelt

Skorpion in der Pfalz
Die erste Lupenbetrachtung zeigt am Bein der Fliege ein kleines rotbraunes Tierchen (im Bild oben/mittig).

Die Fliege war nervig. Ich wollte am Abend noch ein bisschen am Computer arbeiten, aber ständig flog sie vor dem Bildschirm herum, setzte sich drauf und lief kreuz und quer darüber. Ich griff schon zur Fliegenklatsche, da sah ich ein winziges Klümpchen an einem ihrer Beine. Also fing ich sie ein und sperrte sie in eine Petrischale mit Deckel – darin kann man sie ganz gut mit dem Stereomikroskop betrachten. Was ich sah, kannte ich zwar aus der Literatur, gesehen hatte ich es zuvor aber noch nie: Ein winziger Pseudoskorpion (Afterskorpion) hatte sich an ihr rechtes Hinterbeinchen geklammert und sich durch die Lüfte transportieren lassen. Die Fliege war ziemlich quirlig und blieb kaum ruhig sitzen, der Pseudoskorpion – nachdem er von seinem Flieger abgestiegen war – ebenfalls, so dass sich das Fotografieren mit Balgen und Luminar nicht ganz einfach gestaltete. Ein paar Aufnahmen sind aber trotzdem herausgekommen, siehe unten.

Um welche Spezies es sich hier handelt, vermag ich nicht mit Sicherheit zu sagen. Zunächst dachte ich an einen Bücherskorpion, Chelifer cancroides – schließlich ist er mir ja am Schreibtisch begegnet. Aber per Fliegentaxi bereist wohl eher Lamprochernes nodosus die Welt, und dem sieht er mit seinem hellen Thoraxschild (Carapax) doch sehr ähnlich. Der Bücherskorpion hat nach allem, was ich so gesehen habe, ein eher dunkles Thoraxschild. Aber die Artbestimmung ist hier doch etwas für Spezialisten. Falls jemand anhand der Bilder sagen kann, was es ist, bitte ich um einen Kommentar!

Ich habe jedenfalls keine weiteren Bestimmungsversuche gemacht, sondern ihn lieber in meiner Bibliothek laufen lassen, wo er genug Schlupfwinkel und hoffentlich auch Futtertierchen findet.
Hier noch ein Auszug aus einem Beitrag von G. Starnecker und M. Burret in Mikrokosmos 88, 1999, Heft 1, S. 15-22:

Lamprochernes nodosus wird häufig in Gewächshäusern, Komposthaufen und gelegentlich in Behausungen beobachtet. Bei seiner geringen Größe stellen die Besiedelung isolierter Lebensräume und das Aufsuchen neuer Nahrungsquellen ein nahezu unüberwindliches räumliches Hindernis dar, das über die zeitweilige Mitnahmen als „blinder Passagier“ an Fliegen überwunden werden kann. Diese absichtliche, vorübergehende Mitnahme durch größere mobile Tiere zwecks passiver Verbreitung wird als Phoresie bezeichnet. Bei Lamprochernes nodosus werden fast ausschließlich Weibchen überwiegend an der Stubenfliege in den Monaten Mai und von Juli bis September beobachtet, zu Zeiten, wenn sie trächtig sind.

Vielleicht finde ich demnächst noch mehr Pseudoskopione zwischen meinen Büchern?

Der Pseudoskopion hält sich an einem Bein der Fliege fest und drückt dieses dabei ein Stück zusammen.
Hier sieht man aus anderer Perspektive deutlich, wie sich der Pseudoskorpion am Bein der Fliege festhält.
Nachdem er sein Flugtaxi verlassen hatte, wanderte der Pseudoskorpion munter auf dem Boden der Petrischale herum. Mit der Kamera von oben draufhalten mag einfach erscheinen, aber das kleine Tierchen entwickelte eine Geschwindigkeit, die das Nachführen des Lupenobjektivs und das Fokussieren schwer machte.
Die Pedipalpen mit ihren Zangen sind – gemessen an der Gesamtgröße des Tieres – beeindruckend lang.
Mit Vorliebe kletterte das Tierchen am Rand der Petrischale hoch, wo ich ihm dann direkt ins Gesicht blicken konnte. Augen hat der Pseudoskorpion nicht. Der dunkle Punkt, der aussieht wie ein Auge, ist wohl eher eine Struktur am Grundgelenk der Pedipalpe.