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Insektengehirn: Bauplan für künstliche Intelligenz?

Kölner Zoologen haben die Nervensysteme von Insekten erforscht, um die Prinzipien biologischer Berechnungen zu untersuchen und sie auf maschinelles Lernen zu übertragen. Hierfür haben sie analysiert, wie Insekten während der Nahrungssuche Eindrücke aufnehmen, daraus lernen und die Informationen später abrufen, um komplexe und dynamische Probleme zu lösen. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Umwandlung von sensorischen Informationen bei der Gedächtnisbildung von Insekten für maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz mit komplexen Szenarien genutzt werden kann. Die Studie ist im Fachjournal PNAS veröffentlicht worden.

Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster) werden seit langem gerne bei wissenschaftlichen Experimenten zu genetischen Fragen verwendet. Jetzt wurde das Fruchtfliegengehirns als Modell für maschinelles Lernen entdeckt.

Lebende Organismen zeigen bemerkenswerte Fähigkeiten bei der Bewältigung von Problemen, die ihnen durch komplexe und dynamische Umgebungen gestellt werden. Zudem können sie ihre Erfahrungen verallgemeinern, um ihr Verhalten rasch anzupassen.

Ein Beispiel ist die Nahrungssuche, die auf den ersten Blick ziemlich banal erscheinen mag. So ganz einfach ist dies aber nicht: Wenn eine Fruchtfliege ihre Nahrung finden will, muss sie Gerüche aufnehmen, analysieren und dann bestimmen, aus welcher Richtung sie kommen. Diese Informationen müssen dann in Signale an die Flügelmotorik umgesetzt werden. Weil durch Luftbewegungen die Geruchsintensitäten schwanken, mal stärker und mal schwächer werden, müssen sie ständig neu vermessen werden, die Richtung der Luftströmung muss einbezogen werden, und dann ist die Motorik ständig anzupassen. Bei jeder Futterquelle stellt sich das im Detail anders dar und durch Änderungen in der Luftströmung können die Bedingungen mittendrin wechsenl. Trotzdem schnell ans Futter zu kommen, ist unter diesen Umständen gar nicht mehr trivial, wenn man es maschinell nachahmen will. Dass es die Fruchtfliegen mit ihren winzigen Gehirnen aber hervorragend beherrschen und rasch an ihr Ziel kommen, kann jeder Bewohner einer Weinbaugegend aus leidvoller Erfahrung bestätigen.

Bisher versuchte man das Problem der Futtersuche mit klassischer Mathematik zu lösen, wobei sich beispielsweise Algorithmen zur Berechnung von Federkräften und der Interaktion mehrerer Federn bewährt haben. Diese Ansätze stoßen aber an Grenzen bei stark dynamischen Umgebungen, die bei der Futtersuche in der Realität zum Normalzustand gehören. Zoologen der Universität Köln haben daher auf der Basis dessen, was inzwischen über die Struktur von Geruchsnerven und Gehirn der Fruchtfliege bekannt ist, ein neuronales Netzwerk im Computer erstellt. „Wir haben unser Modell des Fliegengehirns zunächst genau so trainiert, wie man auch Insekten im Experiment trainiert. Dazu haben wir in der Simulation einen bestimmten Duft zusammen mit einer Belohnung und einen zweiten Duft ohne Belohnung präsentiert. Das Modell erlernt in nur wenigen Geruchsdarbietungen eine robuste Repräsentation des belohnten Duftes und ist danach in der Lage, die Quelle dieses Duftes in einer räumlich komplexen und zeitlich dynamischen Umwelt zu finden.“ sagt der Informatiker Dr. Hannes Rapp, der das Modell im Rahmen seiner Promotion am Institut für Zoologie der Universität zu Köln erstellt hat.

Für maschinelles Lernen werden bisher meist große oder sogar riesengroße Mengen an Trainingsdaten benötigt. Dagegen ist das von Rapp erstellte Model in der Lage, selbständig zu lernen, und es benötigt hierfür nur eine sehr geringe Datenbasis. „Für unser Modell nutzen wir die besonderen Eigenschaften der biologischen Informationsverarbeitung in Nervensystemen aus“, erklärt Prof. Dr. Nawrot, Leiter der Studie. „Das sind insbesondere eine schnelle und parallele Verarbeitung von sensorischen Reizen mittels kurzzeitiger Nervenimpulse sowie die Bildung eines verteilten Gedächtnisses durch die gleichzeitige Modifikation vieler synaptischer Schaltstellen während des Lernvorgangs.“ Das dem Modell zu Grunde liegende Prinzip kann auch für künstliche Intelligenz genutzt werden. Dies ermöglicht es einem künstlichen Agenten, deutlich effizienter zu lernen, als bisher und das Gelernte dann in einer veränderlichen Umwelt anzuwenden.