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Ledermüllers Nachlese, IV. Brief

IV. Brief.

Sie werden doch nicht ungedultig , oder gar zornig werden, dass Sie schon wiederum Handgriffe vor sich sehen? Ich habe mir dieses in meinem letztern ausdrücklich vorbehalten; und ich weis, Sie werden selbsten begreifen, daß Sie, ohne auf diese Art mit Ihnen zu verfahren, nicht wohl fortkommen können.
Das Mikroskop, das ich die Ehre habe Ihnen hier vorzustellen, ist ohnstreitig das Beste unter allen, well es das allereinfachste in seiner Art, am bequemsten zu gebrauchen, und bey vielen andern ohnentbehrlich ist. Sie sehen es hier, auf der
V. Tafel Das sogenannte Wilsonische Hand- oder das Kulpeperische Sackmikroskop,
woraus hernach Johann Michael Steiner, Uhrmacher und Optikus in Zürich, sein sogenanntes Universal-Mikroskop gemacht hat.

Titel der Tafel: Das sogenannte Wilsonsche Hand- oder das Kulpeperische Sackmikroskop. Das Mikroskop besteht aus zwein inanendergeschraubten Zylindern. Auf der einen Seite sieht man eine Spiralfeder, die den Objektträger gegen einen Schraubzylinder im Innern drückt. Über dem Objektträger ist die eigentliche Vergrößerungslinse, die ausgetauscht werden kann. Auf der gegenüberliegenden Seite der Röhre befindet sich „das Erleuchtungsglas“, heute würde man sagen: Der Kondensor. Den Zylinder mit dem Erleuchtungsglas konnte man mehr oder weniger tief in die äußere Röhre mit der Vergrößerungslinse schrauben und damit die Entfernung des Objektträgers von der Vergrößerungslinse regeln – mit anderen Worten: fokussieren. Letztlich war die Konstruktion also eine Lupe mit Handgriff, Fokussiereinrichtung und austauschbaren Linsen. Ledermüller hat sich zudem aus Messing oder eingefärbtem Pergament Ringe herstellen lassen, die er als Leuchtfeldblende vor den Kondensor legen konnte.
Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig

Dieses Instrument bestehet in einer durchgebohrten Cylindrischen Röhre a. in welche oben, wo der Stern gezeichnet ist, die Vergröfferungs-Lentillien eingeschraubet werden.
Bey b. sehen Sie eine solche Lentillie in ihrer Einfassung oder Kapsel, deren 5. bis 6. seyn können, nemlich von Nummer 5 bis oo.
Gleich unter der Lentille liegt eine Spiralfeder von gewundenem Drath c. welche dient, den Schieber mit dem Objekt zurücke zu halten, damit er durch die grosse Schraube nicht zu schnell hinauf an das Vergrößerungsglas getrieben wird.
Diese Feder liegt auf zwey elfenbeinern Platten s. auf, die in der Mitte ein rundes Loch, in der Grösse eines Albus oder einer Landmünze, haben, unter welches Loch das Schiebergläschen zu stehen kommt, und so gerichtet werden muß, daß das dazwischen liegende Objekt recht in der Mitte, zwischen den zwey Plättchens seine Stelle bekommt. Die Figur D. E.. wird Ihnen diese Plättchens deutlich vorstellen. Sie ruhen auf einem ausgeschweiften und ebenfals durchgebohrten Stückchen Horn e. welches den vierten Theil eines Zolls dick seyn kan, damit sie nicht wanken, wann sie von der gleich darunter befindlichen Schraube bewegt werden. Diese Schraube f. ist dazu bestimmt, den Schieber mit dem zu beobachtenden Objekt, durch auf- oder abschrauben , dergestalt gegen die Vergrößerunqslinse zu richten, daß es dem Auge deutlich werde, so , wie es der Fokus des Glases erfordert. Im untersten Rande des Mikroskops liegt endlich noch das Erleuchtungsglas g. das mit einem geschraubten Ring befestiget wird.
Um aber dem Objekt das rechte Licht, und die erforderliche Erleuchtung zu geben, habe ich mir verschiedene Ringe vom dinnen Meßingblech, oder auch vom grünen Pergament machen lassen, die ich mit gutem Nutzen gebrauchen kan. Sie sehen einige derselben bey h.i.k.l. und Sie werden Sich von Selbsten leicht vorstellen können, daß man die größten Oefnungen zu schwachen Vergrösserungen, nemlich zu 5. 4. und 3. Die kleinern oder engern aber zu den stärksten Glasern, als zu 1. o. und oo. gebrauchen müsse. Dann Nummer 1. o. und oo. braucht garnicht viel einfallendes Licht, wann ich das Objekt recht scharf und in seinem schönsten Umrisse sehen will.
Diese Blendungen, oder Ringe, werden jedesmals zwischen das Erleuchtungsglas und die Schraube eingelegt, und man wird bey deren wiederhohlten Gebrauch erfahren, daß sie nicht überflüssig sind.
Wollen Sie nun dieses Instrument Figur 1. vor das Aug halten, so fassen Sie es mit der linken Hand bey dem Handgrif m. und drehen sodann mit der rechten Hand die Schraube n. wie Sie es nöthig finden. Der Stern bemerkt nur den Stand des Auges; und die kleinen Kugeln o. die wahre Grösse meiner Linsen- und Hirschkornförmigen Gläser, nämlich Nummer 5. 4. 3. 2. 1. o. und oo.
Wie verhält man sich aber bey der Richtung des Schiebers? Ist hier keine Anweisung nöthig? Ich will Ihnen sogleich mit der Figur 2. noch eine kleine Zeichnung mittheilen, um auch in diesem Stücke meiner Pflicht und Ihrem Verlangen, ein Genügen zu leisten.
Sie finden also abermalen bey p. dieses wilsonische Mikroskop. Den Stand des Auges habe ich mit q. bemerkt, und der hinterste oder unterste Theil des Mikroskops ist bey r. zu sehen, in welchem das Erleuchtungsglas mit seinen Blendungen, wie oben h. i. k. l. zeigen, eingelegt wird.
Den Schieber nun recht zu richten, fassen Sie mit der linken Hand das Mikroskop, und bringen es vor das Aug. Und wann Sie nach obbeschriebener Anleitung Figur 1. denselben vollkommen hergestellet haben; so sehen Sie fleißig nach, ob Sie das Objekt scharf genug sehen. Finden Sie, daß es des Schraubens noch mehr nöthig hat; so lassen Sie anfänglich die Schraube lieber etwas zurücke gehen, und rucken hernach mit eben dieser rechten Hand Ihren Schieber, oder das Objekt recht vor die Lentille, daß Sie es, obschon nicht scharf, doch merklich sehen können. Alsdann schrauben Sie gemächlich die grosse Schraube so lange zu, oder ab, bis Sie endlich auch Ihr Objekt in dem allerschärfsten Umriß und rechten Fokus haben, und nach Wunsch betrachten können.
Beides, das Schrauben und Hin- und Herrucken des Schiebers, muß sehr behutsam, sanft und langsam, auch von einer steten Hand, geschehen; sonst gehen entweder die schüsselförmigen Gläser im Schieber, oder die Linsen-Vergrösserungsgläser zu Grunde, oder bekommen wenigstens Risse.
Bey s. habe ich einen Schieber mit angebracht, und t. bemerkt den Ort, wo die beiden Plättchens liegen, zwischen welche der Schieber kommen muß, welches ich, wie oben gedacht, mit D. E. Figur 1. deutlicher angemerkct habe.
u. ist eines von den messingen Hütlein, worein ich meine Vergrösserungslinsen fasse. Hier ist ein Nummer oo. und die darunter befindlich punktirten Linien bemerken den verschiedenen Abstand des Fokus der Vergrößerungsgläser von den Objekten, nach ihren Nummern. .
Ehe ich schlüsse, muß ich ihnen noch einen kleinen Trost mittheilen, der ihnen zu manchen Zeiten dienlich seyn kan. Man verliehrt, oder zerbricht öfters das Erleuchtungsglas. Solte ihnen dieser Zufall von ohngefehr begegnen; so dörfen Sie deswegen die angefangene Beobachtung nicht einstellen. Nehmen Sie nur eine von Ihren Blendungen, die sich zu der eingeschraubten Lentille schickt, und schrauben, oder legen Sie solche statt des Erleuchtungsglases ein; so werden Sie Ihre Beobachtung eben sowol zu Ende bringen, und keinen beträchtlichen Abgang an der Erleuchtung finden.