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Ledermüllers Ergänzungen, XII. Brief

XII. Brief

Ich sehe mich verbunden, denenselben das neue, welches ich von Bonnland mitgebracht habe, ohne Verzug mitzutheilen. Der an Erfindungen überhaubts sehr reiche Herr Geheime Rath von Gleichen hat sich, wir hier auf der
XXI. und XXII. Tafel Ein besonderes Kästchen zum Sonnenmikroskop
abgebildet ist, machen lassen, welches ich für ein bequemes Instrument zur Abzeichnung der Objekten halte.

Titel der Tafel: Ein besonderes Kästchen zum Sonnenmikroskop.
Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig
Titel der Tafel: Ein besonderes Kästchen zum Sonnenmikroskop.
Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig

Die erste Figur der XXIten Kupfertafel wird Ihnen dasselbe dergestalt zu erkennen geben, wie es zum Gebrauch hergestellet werden muß. Es ist in einem Zimmer aufgerichtet zu sehen, dessen Fenster theils mit Decken vom schwarzen Waxtuch hinter dem hölzernen Laden a. Tab. XXl. theils mit dicken Teppichen b. verfinstert sind; Die Theile des Kästchens aber finden Sie auf der XXIIten Kupfertafel Fig. 1. wo a. den Körper vorstellet, der aus 4. gleichen Seiten einem Boden, Deckel, Spiegel, und der Vorlage mit der Röhre bestehet. Oben wird entweder ein matgeschliffenes Glas, oder ein mit Oehl durchsichtig gemachtes Papier d. in eine viereckichte Rame gebracht und eingeschoben; Hingegen in dem Kästchen selbsten, muß ein plangeschliffener Spiegel i. dergestalt schreg angebracht werden, daß derselbe einen Halbrechten Winkel machet. An die vordere Seite des Kästchens wird ein runder Ausschnitt c. gemacht, und die Vorlage d. daran befestiget. In diese Vorlage eine Röhre e. gesetzt, welche weit genug seyn muß, damit das Handmikroskop mit dem eingeschobenen Objekte auf dem Schieber darinnen Platz haben, und herum gedrehet werden kan, ohne daß der Schieber irgendwo in der Röhre anstöst. Auf solche Art wird das Objekt durch die Röhre auf den Spiegel i. fallen; und von demselben wiederum in die Höhe auf das rauhgeschliffene Glas, oder das Oehlpapier geworfen werden, wo man es alsdenn gar deutlich sehen, und abzeichnen kan.
Als ich nachhero dieses Kästchen näher betrachtete, merkte ich, daß man es auch ohne den Spiegel i. gebrauchen kan, wenn man, wie f. zu erkennen gibt, das Oehlpapier, oder rauhe Glas auf der Hintern Seite n. einschiebet, und die oberste Fläche mit einem Deckel verfinstert.
Dann dadurch leistet dieses Instrument eben die Dienste, welche eine grosse finstere Kammer verschaffet, in welcher man weiter nichts, als eine weise Wand nöthig hat, deren Stelle hier k. verrichtet; weil das Objekt gerade durch die Röhre e. bei k. anfallen muß. Sie werden aber wohl thun, wann Sie bei diesem Kästchen zu erst ein mat oder rauh geschliffenes Glas, in eine Rame k. machen lassen , und dann erst das Oehlpapier über dasselbe durch die Ram ziehen, ohngefähr so, wie ich bey l. vorgestellet habe.
Der Gebrauch davon ist mit dem erstern einerley. Je länger die Röhre e. ist, je bessere Wirkung wird es thun. Die zweite Figur der XXI. Kupfertafel wird Ihnen das übrige begreiflicher machen, als ich es beschreiben kan.
Ich könnte nun diesen Brief schlüßen; allein es ist noch die zweite Figur der XXIIten Kupfertafel übrig, deren Erklärung Ew. ec. ohne Zweifel ebenfals werden lesen wollen.
Um den Herren Kunstrichtern vorläufig zu begegnen und den Vorwurf abzuwenden, als ob die erst vorgestelten Kästchens nichts neues wären, habe ich diese Figur entlehnet.
Es ist vielleicht den meisten Liebhabern der praktischen Naturkunde bekannt, daß der zwar schon lange im Grabe ruhende bei der gelehrten Welt aber unsterbliche Sturm, ordentlicher Lehrer der Mathematick zu Altdorf, öfentliche Vorlesungen über mancherlei Erfahrungen und Versuche aus der Naturlehre gehalten habe. Unter diesem Geräthe hat sich auch ein Instrument befunden, welches derselbe eine Cameram obscuram portabilem genennet, und dessen Verfertigung er in seinem Collegio experimentali siue curioso, zu Nürnberg 1676. gedruckt folgender massen beschrieben hat. Hier haben Sie dessen Worte deutsch:
Ich nahm das Objektlvglas unsers zweiten Teleskops, und machte es in ein hölzernes Aug, welches sich, wie gewöhnlich, nach allen Seiten wenden und richten lassen. Dann machte ich mir einen kleinen Kasten vom starken Pappendeckel, ohngefehr einen Schuh hoch und breit, und zwei Schuhe lang, doch so, daß es aus zwei Theilen bestund, welche genau ineinander gefugt waren-, und auseinander gezogen werden konten, um es nach Nothdurft zu verlängern, oder zu verkürzen.
In die Mitte des unbeweglichen Theils A.B.C.D.E.F. setzte ich obgedachtes Objektivglas R.
In den beweglichen Theil D.C.N.G.K.O. brachte ich einen Planspiegel G.H.I.K. und sezte ihn dergestalt schreg, daß er einen halb rechten Winkel machte.
Ueber den Spiegel brächte ich ein in Oehl getränktes dinnes durchscheinendes Papier * an, und sezte über dasselbe noch ein Kästchen von Pappendeckel D.P.Q.L.M.G.K. damit dadurch das Oehlpapler verdunckelt, und in Schatten gesezt wurde, wann der Beobachter seinen Kopf in die Oefnung G.K.L.M. bringen, und die Objekte auf dem Oehlpapler betrachten wolte.
Diese Dioptrisch-Catoptrische Machine sezten wir dann vor ein offenes Fenster, so, daß die Seite mit dem Objektlvglas gegen die Straße gerichtet war; alsobald fielen die auf den Gassen befindliche Obiekte durch das Objektlvglas in den Spiegel, und dieser hat solche wieder in die Höhe an das Oehlpapier hinauf geworfen, dergestalt, als ob die niedlichsten Mahlereyen hier vorgestellet würden, und so deutlich, daß wir auch die Gesichter und Kleider der vorübergehenden Personen, in einer Entfernung von weiter als hundert Schritten, deutlich zu sehen und zu erkennen vermögend waren.

Nun solte man nach dieser so deutlichen Beschreibung muthmassen, es möchten unsere beiden Kästchens die Stürmische finstere Kammer zur Mutter haben.
Allein ich kan Ihnen heilig versichern, daß Se. Excellenz, ohne von diesem Buche etwas gesehen, oder gelesen zu haben, in meiner Gegenwart, und fast in einem Augenblicke, auf diese Gedanken geriethen, solchen entworffen, und sogleich durch einen in dasiger Nachbarschaft wohnenden Schreiner würklich ausarbeiten liesen, da mir dann einige Tage darauf, noch in Bonnland, das angenehme Vergnügen zu Theil worden ist, selbst damit Beobachtungen zu machen, und die vortheilhaften Wirkungen dieses bequemen Kästchens zu erfahren und zu bewundern.
Daß man aber mehrere kleine finstere Kammern verschiedener und noch bequemerer Arten, als die Stürmische, dieß Orts gesehen und gebrauchet habe, wird wohl niemand, am wenigsten Sie, mein Freund, in Zweifel ziehen; und daß eine Erfindung der andern und ein Gedanke dem andern die Hand biete, und zu bereits erfundenen Sachen leicht eine Verbesserung, oder ein Zusatz zu finden sey, verlangt man gegentheils auch nicht zu widersprechen.
Indessen haben Sie die Wahl; lassen Sie Sich davon machen, was Sie wollen. Glauben Sle nur, daß ich mit der alten bekannten Dienstbegierde allezeit seyn werde
Dero ec ec.