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Sturms Flora von Deutschland, Band 3: Echte Gräser (Gramineae) – Tafel 6

Kanariengras, Phalaris Canariensis L.
Ruchgras, Anthoxanthum odoratum L.

Kanariengras, Phalaris Canariensis L.
Taf. 6, Fig. 1:
a) Halmende mit Aehrenrispe, ca. 1/2 natürl. Grösse;
b) Aehrchen.
Halm 20 bis 70 cm hoch, aufrecht oder aufsteigend; Blätter lineal-lanzettlich, die Scheide des obersten Blattes aufgeblasen. Aehrenrispe eiförmig, 3 bis 4 cm lang. Aehrchen weisslich, stark zusammengedrückt. 1j. 7-9.
Das Kanariengras wird in Deutschland selten in Gärten als Vogelfutter angebaut; es stammt aus Südeuropa und kommt bei uns da und dort auf Schutthaufen und in Gärten verwildert vor. Treten die Staubbeutel auf der einen, die Narben auf der andern Seite zwischen den Spelzen hervor, so erfolgt Fremdbestäubung. Die Antheren öffnen sich erst mittags oder nachmittags.
Ruchgras, Anthoxanthum odoratum L.
Taf. 6, Fig. 2:
a) Pflanze, verkl.;
b) und
c) Aehrenrispen in nat. Gr.;
d) Aehrchen geschlossen;
e) Aehrchen offen, vergr.;
f) äussere,
g) innere Hüllsp.;
h) Blüte.
Dichte Rasen bildend. Halme und Laubsprosse zahlreich; erstere glatt, gestreift, mit drei bis vier braunen Knoten, 30 bis 50 cm hoch. Blätter lineal, bald breiter bald schmäler, gewimpert. Aehrenrispe länglich, mehr oder weniger dicht. Aehrchen pfriemlich. Zweite Hüllsp. spitz, länger als das Blütchen; dritte und vierte Hüllsp. braun, die eine mit ziemlich langer, geknieter Granne. Decksp. stumpf, häutig, ad. 5 und 6.
Das Ruchgras wächst auf trockenen Wiesen und Weiden und lichten Waldstellen. Es hat protogynische Blüten: die gelben (selten roten) Staubbeutel entlassen den weisslichen Pollen erst, wenn die Narben verwelkt sind, und zwar geschieht dies morgens zwischen 7 und 8 Uhr. Nach Kerner sollen sich auch beim Ruchgras „reine Pollenblüten neben echten Zwitterblüten“ finden, wodurch ebenfalls Fremdbestäubung begünstigt wird. Die Haare der inneren Hüllsp., von denen die Früchtchen umschlossen bleiben, sowie die gebogenen Grannen sind als Verbreitungsorgane anzusehen: die Früchtchen werden leicht vom Wind davongetragen, hängen sich auch an Tiere und werden so verbreitet.
Das Ruchgras enthält, wie der Waldmeister, Coumarin, dem es seinen Wohlgeruch verdankt. Es ist als Wiesengras wenig geschätzt; auch wird es vom Vieh (entgegen der allgemeinen Annahme) wegen seines Duftes durchaus nicht bevorzugt.
Von den Blättern dieses Grases nähren sich die Raupen von Satyrus Circe F., von Coenonympha Pamphilus L. und von Psyche unicolor Hufn.
Aus: J. Sturm’s Flora von Deutschland, Nachdruck nach 1900 mit Chromolithographien (Ernst H. L. Krause: Schriften des Deutschen Lehrer-Vereins für Naturkunde).