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Etwas besonderes vom Meer- und Muschelsand
Bild aus: Ledermüller, Mikroskopische Gemüths- und Augen-Ergötzungen, Tafel 86

Hier hat Ledermüller – eigentlich zum Reinigen der Objekte – Säure über die Reste von Muschelsand gegossen und sich über die Wirkung auf die Muschelkalkpartikel gewundert. Er schreibt dazu:
Als ich ohnlängst die in dem Meersand von Rimini häufigsten befindliche kleine runde Kügelein, so ich bereits auf der IV. Kupfertafel vorgestellet habe, zu einem besondern Gebrauch aussuchte, und vom Staube zu reinigen, sie in ein Uhrglas mit Wasser angefüllt legte, welches als ich es nur mit drey Tropfen Scheidewassers vermischte, so erblickte ich mit einmal eine Bewegung, die meine Aufmerksamkeit besonders reizte. Ich sahe zwar schon mit blossen Augen, daß, nachdeme ich das Scheidewasser an das frische, in das Uhrglas fallen lassen, die kleinen darinn befindlichen Kügelein sich sogleich alle bewegten: Da ich aber wegen ihrer Kleinigkeit nichts deutliches sehen können, so setzte ich sie auf das Tischgen unter mein sogenanntes Oekonomie- oder (wie es andere lieber nennen wollen) Suchglas.
Hierdurch entdeckte ich nun erst ein vollkommenes Lustfeuerwerk auf dem Wasser. So wie angezündete Lustkugeln oder Granaden auf dem Wasser anzusehen sind, eben so kamen mir meine Kugeln vor, nur mit dem Unterschied, daß statt der Feuerfunken, hier Dunst und Wassertheilchen, in die Höhe spritzten. Ware mir nun dieser Anblick ergötzend, so setzte mich noch mehrers das gewaltsame Hin- und Herstossen dieser Kugeln und der Trieb wodurch sie bald in die Höhe und über die Fläche des Wassers, bald aber wieder auf den Grund des Uhrglaßes sowohl als in die Quere, Länge und Breite und wider alle seiten desselben herumgeschleudert und gestossen worden in Bewunderung. Gleichwie ein aufgeblasener Ball oder eine eiserne Kugel, wenn sie mit der größten Gewalt wider einen vesten Boden geworfen wird, wiederum in die Höhe springt, so sahe ich meine Kugeln; und dieses Lustspiel dauerte heynahe eine halbe stunde, so daß ich sie zuletzt unter dem zusammengesetzten Mikroskop, mit der besten Bequemlichkeit nachzeichnen können. Es zeigen sich daher auf dieser 86sten Kupfertafel bey a. und b. diese Kügelein in natürlicher Grösse, c. aber stellet eines davon vor, wie sie sich unter dem Oekonomieglas d. sehen lassen. Unter dem Marschallischen hingegen, siehet durch die Linse Numer 3. ein ungewaschnes rohes wie bey e. und ein gereinigtes im Wasser gleich bey f. mit seinen ausspritzenden Luft- und Wassertheilchen abgebildet ist. Das vergrösserte Uhrglas selbsten aber, mit sämmtlichen Kugeln oder Echiniten, habe ich mit g so viel der Raum erlauben wollen, vorgestellet.
Vielleicht werden verschiedene meiner g.L. auf eben diejenige Frage und Gedanken gerathen, die mir beygefallen: Woher wohl das gewaltsame Stossen und Herumwerfen sowohl als das Ausspritzen dieser Kugeln, entstehen möge? Und ob ich mir schon einige hinlängliche Begriffe von der Würkung des Scheidewassers nach meiner alten Gewohnheit, dieser Körper machen können, so folgte ich doch meiner alten Gewohnheit, nach welcher ich noch immer glaube, daß das Fragen keine Schande seye, und erkundigte mich deswegen, da ich ohnehin in Büchern wenig Trost und Nachricht davon finden können, bey verschiedenen meiner hochgeschätzten und hochgelahrten Gönner, und erhielte auf die Frage:
Warum doch das scheidewasser eine so besondere Würkung auf diese Körperchen habe?
folgende hochgeneigte Antwort, wofür ich hiermit nochmalen meinen gehorsamsten Dank erstatte:
Es liegt wohl der Grund von dem Hin- und Herstossen in der Form und Materie dieser kleinen Körper, sie sind hol und gehören unter die Echinos. Sie bestehen aber aus einer alkalischen Erde und diese ist es, in welcher das acidum des Scheidewassers so stark wirket. Bey solcher solution gehen nun wie aus allen Körpern, bey der Auflösung Luftblasen heraus, bald mit mehrern, bald mit wenigern Umgestümm. Da nun das Scheidewasser hier in alkalischen, zugleich aber holen und sehr leichten Körpern gewürket, so hat die in der Holung befindlich gewesene Luft, vorzüglich müssen mit in Bewegung gesetzt und aus dem von Herrn Bianchi an gemerkten Loche, herausgetrieben werden. Die Efferescenz aber des Scheidewassers auf Eisen, Kupfer und dergleichen, beruhet auf andern Gründen, wiewohl doch auch bey der Auflösung des Feilstaubs von verschiedenen Metallen, sich etwas ähnliches von stossenden Bewegungen zeiget.