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Mikroskopische Beobachtungen an der Kalbs- und Rindszunge – Fortsetzung
Bild aus: Ledermüller, Mikroskopische Gemüths- und Augen-Ergötzungen, Tafel 96

Und zum guten Ende noch der Beschluss von der Zunge.
Nachdem ich nun die Papillenhaut der Zunge von aussen, so viel hier der Raum verstatten mögen, sehen lassen, so wird vergönnet seyn, daß sich dieselbe auch noch von innen zeigen dörfte, in welchem Auftritte sie nicht weniger angenehmer scheinen wird. Hierzu gehöret ebenfalls ein kleiner vortheilhafter Handgriff, wenn man die Farben sehen will, die ich vorgestellet habe. Wann die Haut vom Fleisch abgelöset, welches an einer gekochten Rindszunge in einem Augenblick geschehen ist, so kan einstweilen die entblößte Zunge betrachtet werden: Und wie viel beobachtenswerthe Gegenstände findet ein fleißiger Naturforscher alsdenn auf dieser abgeschälten Zunge? Vielhundert silberweise Röhrchen oder Wärzgen, siehet Er allda aufgepflanzt, und wenn Er mit diesen fertig ist, so kan Er tiefer in das Fleisch selbsten gehen und den vortrefflichen Bau der Fiebern und Nerven und Muskeln darinnen liegen sehen. Indessen wird die abgezogene Papillenhaut etwas dürre und zum beobachten tauglich, wann sie etwas schwarzbraun erscheinet, mit welcher man sich sodann ebenfalls gegen das Licht stellt, anfänglich mit einem guten Suchglas, dann mit Num. 5. und 4. gegen die innere Seite der Haut siehet, welche man mit der linken Hand etwas in die Höhe hält, daß man mit dem Glase gleichsam von unten hinauf in die Löcher derselben sehen kan. Zu dem Ende habe ich hier diese abgezogene Haut ober und unter sich gekehrt aufgezeichnet, und vorgestellet, wie sie sich auf beede Art innerlich durch das Vergrösserungsglas sehen lassen.
Fig. G. wird sie also mit der Spitze unter sich gekehrt, darstellen, und zwar, wie sie mit ihren Papillen und Schweißlöchern auch schwarzen Flecken, natürlich dem blosen Auge sich zeigt, nebst einer aufstehenden Reihe Hackenförmigen Papillen a. darstellet. Ist nur ein kleines stückgen davon, welches sich bey I. durch Numer 4. vergrössert, nebst einigen Hackenpapillen a.
H. ist nur ein kleines Stückgen davon, welches sich bey I. durch Numer 4. vergrö??ert, nebst einigen Hackenpapillen a. darstellet. Weilen ich diese Hackenwarzen hier theils abgebrochen erblickte, so glaubte ich, es seye nicht überflüßig, wenn ich sie auch in dieser stumpfen und ganz andern Gestalt kenntbar machen würde, als sie Tab. 94. fig. B aussehen. Ich sahe sie hier gleichsam in einem weisen und breiten Zaun oder Bande stehen, dessen Haut (weil sie gesotten gewesen) gar nicht durchsichtig ware b. Einige waren ganz c. andere hatten nur die Spitze verlohren d. die übrigen aber waren ganz stumpf und über die Hälfte abgebrochen e. An diesen beobachtete ich, daß sie hol waren, wenn mich anderst nicht der schatten betrogen und keine fallacia optica mit untergelaufen. Denn in der Mitte sahe ich keine holen Röhren durchlauffen, sondern nur oben einen runden schwarzen im Schatten vertieften Flecken der einem Loch vollkommen gleich sahe.
Vielleicht stelle ich eine von diesen Papillen in nechstfolgenden Supplementstafeln ganz besonders gros und zergliedert vor, und zeige mit mehrer Erfahrung, ob solche würklich ganz hol oder mit vielen durchlauffenden safftröhren versehen sind? Ich muß ohnehin befürchten, daß ich nicht allen meinen g.L. mit dergleichen Vorstellungen, zumalen wenn sie noch umständlicher vorgetragen werden wollten, gefallen mögte. Dergleichen Beobachtungen erfordern ganz besondere Abhandlungen und ich hoffe genug gethan zu haben, wenn ich hier nur einen Fingerzeug zu weitern Untersuchungen ungleich grösseren Naturforschern an die Hand gegeben.
Um also wieder auf die Haut selbst zu kommen, so ist mit f. dieselbe innerlich mit ihren Schweißlöchern abgebildet, auf welcher die grossen Löcher g. die Wurzellöcher der Hackenpapillen h. aber die Pfifferförmigen Warzen sind, davon die erstern Eyrunden halb Gold- und halb Pomeranzenfarb, die andern runden aber braungelb, durch das Vergrösserungs glas in die Augen fallen. Wendet man nun aber diese Haut um, daß die spitze derselben ober sich gehalten wird, wie hier fig. L. zeigt, so erscheinen die Papillenlöscher auch verkehrt und die Pommeranzen oder Feuerfarbe die zuvor unten zu sehen ware, erblickt man hier oben und die gelbe an der untern Helfte dieser Löcher i.
Die Löcher der runden Pfifferwarzen k. bleiben braungelb. Diese Farben sind ganz richtig dem einfallenden Licht zuzuschreiben, und es ist daher nicht unwahrscheinlich zu schliessen, daß diese Hackenpapillen wo nicht hol, doch sehr durchsichtig seyn müssen, weil das Licht des Tages sogar stark durch sie herunter strahlen kan. Wenn die Zungenspitze fig. K. hier auswärts vorgestellt worden, so ist es nur darum geschehen, um solche auch von dieser seite sehen zu lassen, wenn aber die Löcher wie fig. L. gesehen werden wollen, so ist natürlich, daß diese Haut ebenfalls auf obbeschriebene Art von innen betrachtet und nur die Spitze in die Höhe gerichtet werden müsse.
Ehe ich nun zur Erklärung der 97. Kupfertafel fortschreite, will ich hier mei nen g.L. ein Schreiben bekannt machen, welches mir von Titulo Herrn Geheimden Rath und Hochfürstl. Leibmedico Wagnern zu Bayreuth, meinen hochgeschätzten Gönner zu gekommen, und zu mehrer Erläuterung der 86. Kupfertafel vieles beytragen wird.
„Ich kan die kleinen Kügelein im Hadriatischen Meersand von Rimini, welche Herr Janus Plancus, mein sehr werther Freund, in seinem Traktat de Conchis minus notis, und wovon ich Ew. c. zum Neujahrgesschenk hiemit ein Exemplar verehre und übersende. Seite 19. 20. nach seiner Meynung am wahrscheinlichsten vor Echinos hält, nicht dafür erkennen, noch der Meynung dieses vortrefflichen Gelährten beypflichten
1.) weil sie vollkommen rund und glatt sind, und weder kleine stacheln, (welche eigentlich das Unterscheidungszeichen deren Echinorum von andern Ostracodermatis sind) noch steife Haare, auch unter sehr guten Vergrösserungsgläsern nicht einmal die Stigmata oder Hügelein zeigen, wo solche könnten gesessen haben.
2.) Weilen viele gar keine, die meisten aber nur eine Oefnung oder Löchlein haben, die Echini hingegen alle mit zwey Oefnungen versehen sind, von welchen eine den Mund die andere den Ort ihrer Ausleerung vorstellet.
Ich finde also nichts, womit man sie besser vergleichen, und worzu man sie schicklicher rechnen könnte, als die Eylein derer schnecken. Denn nicht nur unsere grosse eßbare, sondern auch die kleinsten Erdschnecken, haben weisse runde oder bisweilen etwas ablängliche glatte Eyer, deren ich verschiedene in der Grösse wie kleine Erbsen, wie Hanfkörner, wie ein Senfkorn und gar wie ein weisses Mohnkörnlein aus der Erde und unter dem Mos herfür gesucht und gesammlet habe, wovon einige auch ein kleines Löchlein oder Oefnung haben. Ich habe diese meine Meynung schon An. 1738. Herrn Jan. Planc. überschrieben, alleine Er glaubt, daß einig und allein das Federvieh Eyer mit schaalen, die Fische aber, Krebse, Muscheln, Schnecken, auch alle kriegende Thiere nur weiche und höchstens cartilaginose Eyer haben; ob Ihme schon das Gegentheil aus den Crocodill, Heyderen, schildkröten und unsern schneckeneyern leichtlich erwiesen werden könnte. Es ist zwar wahr, daß die Schnecken und Heydexen Eyer, gleich nach ihrer Geburth weich sind und nur eine halb oder ganz durchsichtige Haut zu haben scheinen, alleine so bald sie trocken werden, bekommen sie eine weisse undurchsichtige harte und zerbrechliche schaale, welche bey denen grossen Crocodillen von sehr ansehnlicher Dicke ist. Da nun in dem Meersand von Rimini auch sehr viele der allerkleinsten Schneckgen gefunden wereden und in einigen andern Gegenden des Hadriatischen Meers, insonderheit in denen Lacunen um Venedig, Comachio und andern Ortern, es eine ungeheure Menge von kleinen Schneckgen gibt, so ist es mir leicht begreiflich wo die unzählbaren und kleinen runden Körpergen herkommen.“
Nach meiner Meynung wird man wohl nicht vieles, mit Grund, wider diese ungezwungenen und richtigen Gedanken einwenden können.