Stichworte: Historie, Ledermüller, Mikroskopie, Bewie's Mikrowelt
Das Besondere an der Blume Arum Aegyptianum oder CallaDas Bild zeigt die Blüte einer Calla, die zu den Aaronstabgewächsen zählt. Auf der Tafel 19 werden dann die mikroskopischen Details dargestellt. Hier Ledermüllers Text zu den beiden Tafeln:
Das Besondere an der Blume Arum Aegyptiacum, oder Calla genannt.
Diese ausländische Blume und deren erstere Zergliederung, habe ich der Gütigkeit Titl. Herrn Hofrath und hochfürstlichen Leib Medici Dr. Trews alhier dieses berühmten und vortrefflichen Pflanzenkundigers, vordersamst zu verdanken. Und ohngeachtet der Herr Hofrath selbsten sehr genaue Beobachtung damit angestellet, auch durch einen ungemein geschickten Migniatur Mahler, die ganze Zergliederung auf das feinste abmalen lassen; so beliebte es Denenselben gleichwohlen, auch mir eine wiederholte mikroskopische Untersuchung dieser Blume, gütigst aufzutragen, um bey diesem besondern und von denen übrigen Arten des Arums so sehr abweichenden Gewächse, gewisse und sichere Versuche zu gewinnen.
Zu dem Ende erhielte ich vor einigen Wochen eine dieser Blumen in ihrem schönsten Flor, welche ich auf der achtzehenden Tafel ganz und auf der neunzehenden zergliedert, in Kupffer bringen und nach dem Leben illuminiren lassen.
Ehe ich aber die Erklärung dieser beeden Tafeln vor Hand nehme, wird es mir erlaubt seyn, auf Verlangen einiger in der Botanik unbewanderter Freunde, etwas weniges von der Zeugung der Pflanzen vorauszusetzen, um ihnen theils deutlichere Begriffe von denen Theilen derer Blumen, zu besseren Verstand der Kupffertafeln, zu verschaffen: theils aber auch zu zeigen, daß sich die wundervolle Natur, in allen ihren Hauptwürkungen, allemal ähnlich bleibe. Und gleichwie nach des grossen Harvey Lehre alles aus einem Ey kommen soll; Wie die Kleister Aale erstbeschriebenermassen und auch der Floh, wie gleich in nachstehender XX. Kupffertafel gezeigt werden soll, aus ihren Eyern entstehen; also entspringen auch die Blumen, Pflanzen und Kräuter, aus Eyern. Dieses umständlicher zu beweisen, werde ich nur das nöthigste aus des grossen schwedischen Gelehrten des Ritter Linnäus Schrifften und dessen Amoenitat. acad. Vol. 1. p. 61 – 109. von denen Hochzeiten der Pflanzen mit anfügen, welche ganze Streitschrift, so Herr Johann Gustav Wahlbom, im Jahr 1746. unter des Herrn Ritters Vorsitz vertheidigte, Titl. Herr Professor Arnold zu Erlang, mein hochgeschätzter Gönner, auf das sorgfältigste in das Deutsche übersetzet, und dem allgemeinen Magazin s. Theil 4. pag. 172. einverleibt hatte.
Dem zufolge nun, haben die Pflanzen sehr viel ähnliches mit denen Thieren. Sie entstehen erstlich aus einem Ey, wie die Thiere. Ihr Weesen bestehet aus der Forttreibung der Säffte, gleichwie bey den Thieren aus dem Kreißlauf des Bluts. Und bindet man einem Thier den Fuß oder sonst ein anderes Gelenke, daß die Säffte nicht durchdringen können, so stirbt es ab und verdirbt: dieses geschiehet auch bey denen Pflanzen, wenn man einen Ast bindet der noch weicht ist.
Ihr Zeitalter kommt nicht weniger mit den Thieren überein; Denn ihre Kindheit ist schwach und zart, ohne Blüthe und Frucht; Ihre Jugend hingegen prangt schon mit einem lebhaftern Grün, mit Blüthen und Blumen; ihr männliches Alter, mit Früchten; und ihr hohes Alter mit Mooß und Schimmel und Abfallung der Blätter. Sie sind nicht weniger Kranckheiten ausgesetzt wie die Thiere; Sie sind z. E. dem Brand und der Fäulung unterworfen; Zu viel Hitz schadet ihnen so sehr als zu viel Kälte; So auch zu viel Nässe und allzutrockene Witterung. Es plagt sie das Ungeziefer, Läuße, Flöh und Wanzen. Welches Gartenliebhabern leyder! nur allzu bekannt seyn wird. Sie haben ein Leben wie die Thiere; Dieses zeiget ihre Richtung auch in denen Glashäussern, gegen das Tageslicht und gegen die Sonne; Ingleichen aus ihrer Empfindlichkeit, wie z. E. die Mimosa, das herba sensitiva, das Noli me tangere, und andere Pflanzen und Blumen mehrere zu erkennen geben, welche sich zu bestimmten Zeiten auf und zuschliessen.
Sie sterben endlich auch wie alle andere Kreaturen, indeme sie nach vollbrachter Zeit ihrer Bestimmung, verwelken, dürre werden und verderben. Was aber die Zeugung besonders betrift; So bestehen sie ebenfalls aus dem Männlichen, aus dem Weiblichen und aus beeden Geschlechtern zugleich, oder aus Zwittern.
Eine jede Blume hat gemeiniglich einen Kelch, das Pistill, die Federn, die Staubbeutelchen, den Staub selbsten, die Wärzchen, den Keim, das Fruchtbehältnus und den Saamen.
Der Ritter Linnäus bildet den Kelch als das Hochzeitbette, die staubfäden als das Männliche und das Wärzchen als das weibliche Glied ab. Er macht die Staubbeutelchen zu den Geilen, den Staub zum männlichen Saamen, den Keim zum Eyerstock, das Fruchtbehältnns zum befruchteten Eyerstock und das Saamen Korn zum Ey.
Es haben also die Blumen ebenfalls ihre Geburthstheile wie die Thiere; und die Erfahrung lehrt uns auch, daß allemal die Blüth vor der Frucht, wie die Zeugung vor der Geburth hergehe. Daher ist der Blume die Befruchtung, der Frucht aber die Geburth zuzuschreiben.
Gleichergestalt wissen die Blumisten, daß man Blumen und Pflanzen entmannen könne, wenn man theils ihre staubbeutelchen abschneidet und dabey verhütet, daß eine andere Blume von dieser Art, in der Nähe ist; Theils aber auch die Wärzchen zerschneidet.
Dann erstenfals gehet der Saame oder die Befruchtung, andernfals aber die Frucht verlohren.
Und sollte man nicht aus diesem Grund die gefüllten Blumen mit denen Castraten vergleichen können, welche von darum dicker und vollblätterichter werden, weilen sie keinen saamen tragen? Jedoch ich übergehe diesen zufälligen Gedanken, und will nur noch von dem Blumenstaub bemerken, daß er nicht bey einer Blume wie bey der andern, beschaffen seye. Denn er ist bald rund, bald Eyförmig, bald stachlicht, bald Nierenförmig, bald wie ein Waizen Korn, bald eckicht und bald glatt. Wovon g.G. zu seiner Zeit ein jeder besonders, in folgengen Tabellen vorgestellet werden solle.
Ich aber schreite nunmehro zur Erklärung der XVIII. und XIX. Kupfertafeln, wo auf der erstern die Blume noch am Stocke, siehe a. verkleinert, abgebildet worden, um Blat und Farbe mit vorstellig zu machen.
b. Ist die Blume in natürlicher Größe; welche zwar am Stocke niemalen so weit geöfnet ist, daß man den Spadix c. so groß in selbiger sehen kan; damit aber denen g.L. alle Theile desto deutlicher in die Auge fallen möchten, so habe ich sie abgebildet, wie sie aussahe, als ich sie etwas geöfnet hatte. Tournefort nennt diese Blume, Arum Aegyptiacum und auf französisch Pied de Veau, andere nennen sie das Haasen Ohr, wegen seiner Gestalt; und ohngeacht Tournefort unter die 35. Arten des Arums, auch gegenwärtiges setzt, so ist sie doch von denen neuesten Lehrern der Botanick wegen seiner ganz verschiedenen Eigenschaften, aus dem Geschlechte der Arum geschafft, ein neues Genus daraus gemacht, auch ein ganz anderer Name von dem Ritter Linnaeo ihr beygelegt und unsere Blume Cala, vom Herrn Hofrath und Leibmediko D. Trewen Anguina, und von Ms. Petit, Provenzalia genennet worden.
Daher sind auch die Benennungen derer Theile dieser Cala nicht einerley, immassen Tournefort das was bey c. vergrössert vorgestellet habe, den Pistillum nennt, den aber der Herr Ritter Linnäus und Herr Prof. Ludwig Spadix heissen, welche letztere Benennung denen Regeln der Botanick auch gemässer kommt, da das Wort Pistillum bey denen Blumen und Blüthen, einen ganz andern Carakter vorstellet und etwas ganz anders bestimmet, als dieser Theil c. sagen will.
Denn dieser Spadix oder Pistill c. hat gar keine staubfäden, sondern er ist aus zweyerley Gefässen zusammengesezt; nemlich aus denen Staubgefässen oder Staminibus d. und denen Pistillen und Ovarien e.
Auf der Tafel XIX werden wir nun solchen zergliedert sehen.
f. stellet also den obersten Theil des spadir horizontal durchschnitten, vor wovon bey
F. Ein Reifgen oder Scheibchen, stark vergrössert, angebracht worden, um zu sehen, wie die staubbehältnisse um das Mark des Spadix gleichsam im Zirkel herum eingepflanzt stehen; bey u. und t. tt. sind solche perpendikular zu beobachten, denen bey v. v. die Ovaria mit ihren Pistillen in der Ordnung nachgesetzt sind.
Die Staubgefäße aber sind gedoppelt und einfach; Dergleichen bey g und h. in natürlicher Größe (wiewohl noch etwas zu groß,) bey i. k. und l. vergrössert und bey m. und n. in höchster Vergrösserung zu sehen.
Ich habe mir sehr viele Mühe gegeben, die Oeffnung zu entdecken woraus die staubkügelein gedrungen. Endlich glückte es mir, daß ich die Ritzen und Spalten sahe, welche ich an denen beeden Enden des Kopfs oder Polsters der Staubgefäße, zum öfftern und hernach allemal richtig beobachtet. Ich habe den Ort bey n. mit sternchen bezeichnet; und bey 1.m.n. und q, wird man solches deutlicher finden. So gewiß es nun aber ist, daß der staub aus denen angezeigten Spalten dringet, so unwidersprechlich ist es doch auch dabey, daß diese Staubgefäße aus lauter Poris bestehen: Und daß aus allen diesen Poris, sowohl oben auf dem Kopff oder dem Polster, als aus denen weissen Wurzeln, welche denen Wurzeln der Zähne sehr ähnlich sehen, siehe o. und p. der Staub, wie Perlen von Silber, hervor quillet. Man kan nichts schöners sehen als wenn man nur ein einiges von diesen Staubgefässen vor das Mikroskop bringt. Es ist durchsichtig wie Crystall, und auf dem obern Theil, der einem Polster von glänzendem Golde gleich kommt, liegen die Staubperlen f. q. So bey o. und p. ebenfals herauskommen. Man kan diese Staubgefäße gar wohl stamina sine filamentis nennen und obschon der Herr von Linnäus meldet, daß der Spadix filamenta nonnul1a habe, so habe ich doch nicht ein einziges Filamentum oder eine StaubFaser finden oder entdecken können; Es wäre denn, daß der Herr Ritter die Wurzeln der Staubbehältnüsse damit benennen wollen.
Was nun den Staub betrifft, dessen schwache Vergrösserung bey q. die stärkste aber bey r. abgezeichnet habe, so ist offt der ganze Spadix damit bedeckt. Ich habe bey f. gezeigt wie er im Mikroskop aussiehet, wenn er mit Wasser genezt wird; dann er springt alsdenn auf und giebt eine öhlichte Materie von sich, welches auf die Art geschiehet als wenn Granaden angezündet worden wären.
Dieser Staub fällt herab auf die unter denen staubgefässen stehenden Ovaria oder Germina und Pistilla. Das Ovarium aber bestehetaus zweyen Theilen, nemlich aus dem Pistill oder der Tuba, welche mit einem rothbraunen Knöpfchen oder Wärzchen versehen, das mit einem klebrichten saft überzogen ist, an welchem der staub hangend bleibt, welcher dann durch dieses Pistill, Wärzchen oder die Tubam in das Ovarium kommt und solches befruchtet; gleichwie bey y. und . zwey befruchtete Ovaria nach verschiedenen Vergrösserungen angezeigt habe. t. und tt. ist das Mark des Pistills, um welches wie schon gedacht, die Stamina und Ovaria u. und v. stehen. vv. zeigt ein solch ganzes Ovarium vergrössert und x. in natürlicher Grösse: bey y. ist ein anderes zu sehen, welches perpendikular entzwey geschnitten und befruchtet ist, z. aber zeiget desselben innerlichen und zz. den äusserlichen Theil, horizontal durchschnitten und vergrössert, mit seinem klebrichten Wärzchen, so einer weiblichen Brust ähnlich siehet.
Bey dem Zeichen ?. ist ein befruchtetes und perpentikular durchschnittenes Ovarium, mit seinem Pistill, der Tuba, dem Utero und denen Embryonibus, am stärksten vergrössert, zu sehen und bey M und er die Früchte erstlich ver schlossen, dann in der Mitte durchschnitten, welche ich aber selbsten nicht gesehen, sondern von der mir geneigtest mitgetheilten Mahlerey des Herrn Hofrath Trews, abgezeichnet habe.
Das Besondere so endlich an dieser erotischen Blume ist, bestehet darinnen, daß es von allen übrigen Arten des Arums abweicht, und einen andern Spadix, andere Antheren und Pistillen, auch gar keine Staubfäden, wie z. E. das Arum Italicum maximum venis albis horti Regii Paris hat, als welches Filamenta oben, dann Stamina; dann wieder Filamenta und zulezt erst die Ovaria unten sizend hat.
Und damit ein jeder Blumen-Liebhaber und Verehrer der Naturkunde, der gleichen Beobachtungen ebenfalls anstellen könne, so soll nächstens mit so gemeinen als bekannten Blumen, eben diese Beobachtung vorgenommen und in Kupfertafeln vorgestellet werden.