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Die Befruchtungs-Gefäße der DistelblumeDie Befruchtungsgefässe der Distelblume
Und noch einmal von der Distel? Wie eckelhaft! Ja! meine Gönner! Sie haben recht sich darüber aufzuhalten. Alleine können sie mich versichern, daß es keine Fälle in der Welt gibt wo man öfters wider seinen Willen etwas thun muß, um nicht unhöflich oder wohl gar grob zu heissen? Sie werden mich nun schon verstehen und leicht errathen können, daß ich es habe thun müssen. Indessen bin ich doch auch vollkommen überzeugt, daß diese letzte Vorstellung von der Distel, eben so gar überflüßig nicht seyn möchte. Es sind ohnehin die vornehmsten Theile dieser Blume, und es wird einem wahren Freund und Gönner des Mikroskops einerley seyn, ob er dieß oder jenes aus der Natur betrachtet. Zudeme ist es allemal nützlicher, wenn man so viel Theile als nur immer möglich ist, an einer jeden Blumen entdecken kan, als wenn man sie nur bloß zum Zeitvertreib und als ein kindisches Spielwerk, durch das Glas begucket.
In dieser Absicht zeigt sich also hier fig. a. der Distelkopf, der sich auf der 89sten Kupfertafel ganz sehen lässet, zwar nochmalen, aber nur zur Helfte und perpendikular durchschnitten, um damit vorzustellen, wie sich diese Zeugungstheile mit dem Eyerstock oder denen Embryonen verbinden.
Es wird bereits, ohne meine Anmerkung nöthig zu haben, bekannt seyn, daß die Distel unter diejenige Classe der Blumen gehöre, welche flores flosculosi aus vielen einzeln Blümchen zusammen gesetzt, oder auch Blumentragende Blumen genennet werden. Und so trägt auch der Distelkopf eine Menge solcher kleinen Blümchen, wie die Figuren f. g. h. i. vorstellen.
Eine jede von diesen, bestehet wiederum aus verschiedenen Theilen, wie eine andere grosse Blume, nemlich aus dem Becher, denen Antheren, dem Pistill, Staubfäden, Blumenstaub oder männlichen Saamen, und der Frucht.
Auf dem Embryo oder der Frucht, stehen noch eine Menge zarter glänzender Haare, welche dem Pistill umgeben, und den sogenannten Pappus formiren, davon Tabula XC. eine Faser vorstellet. Ich will solches durch Erklärung dieser 92sten Kupfertafel deutlicher zu machen suchen.
a. Ist der nach der Länge herabgetheilte Blumenkopf der Distel, um zu zeigen, wie sich die beysammen stehenden Blümchen a. mit dem Eyerstock b. verbinden.
c. und d. sind zwey Stacheln oder Dornen, so den Eyerstock äusserlich umgeben, etwas grösser als natürlich, abgebildet, davon der erste sich äusserlich, der andere d.von innen, bey e. hingegen etwas mehr und durch Numer 6. vergrössert, betrachten lässet. Ich dachte bey Betrachtung dieser Stacheln: Die arme Distel müsse doch ein besonderer Liebling der Natur seyn, weil ihre Früchte mit so vieler Sorgfalt und mit so scharfen Palisaden verwahret und beschützet worden.
Bey f. g. h. i. habe ich von denen im Distelkopf befindlichen Blümchen einige vorgestellt, wie sie von aussen und innen und mit allen ihren Theilen, unter dem Oekonomie- oder Suchglas anzusehen sind. Der Calix oder der Becher, hat fünf Cronenspitzen, welche von oben bis etwa den dritten Theil hinab eingeschnitten sind. In demselben stehet der Pistillg. den wiederum 4. zusammen geschlossen Antheren h. umfassen. Er läuft bis zur Frucht 1. und wird von dem Pappus k. umgeben. Dieses zeigt sich noch deutlicher an der auf eben dieser Platte befindlichen sehr starken Vergrösserung durch Numer 1. englisch Glas m. n. o.
In denen Cronenspitzen m. siehet man Millionen Saftkugeln, welche denen Blutkügelein ähnlich sind. Die Antheren n. sind ebenfalls voller Saftkügelein, und man siehet darinnen die Kugeln des Blumenstaubs gar deutlich, wie auch an dem Pistill o. welche ich mit p. nach der allerstärksten Vergrösserung, auf das deutlichste nachgezeichnet und als runde Kugeln befunden habe, die mit unzählich andern viel kleinern und mit kurzen feinen Spitzen bewafneten Kügelein, um und um besetzt waren. Ich habe noch keinen Blumenstaub so schön und so deutlich sehen können, wie diesen. Und ich bin nun überzeugt, daß in diesen Kugeln p. eine öhlichte oder andere flüßige substanz enthalten ist, welche, wann die Kugeln p. an den Pistill o. als das weibliche Zeugunsglied sich angehängt haben, alsdenn aufspringen; der Saft aber durch die Poros des Pistills o. und k. hinab bringe um den Embryo l. damit zu seiner völligen Grösse, Zeitigung und Reife zu verhelfen.