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Eine Aalschuppe
Bild aus: Ledermüller, Mikroskopische Gemüths- und Augen-Ergötzungen, Tafel 93

Eine Aalschuppe
Hat dann der Aaal würklich Schuppen? so fragte mich vor einigen Jahren ein geneigter Gönner; ich behauptete es aus Leuwenhoecks Schriften. Er zeigte mir aber das Gegentheil, da Er mich auf eine Aalpastete zu Gaste gebetten. Ich blieb bis daher in einer schläfrigen Ungewißheit, weil ich weder Zeit noch Gelegenheit hatte, diese Beobachtung genau anzustellen, und mit einem Wort, gar nicht mehr daran gedachte.
Vor einigen Wochen aber kame mir ganz ohngefehr eine alte Haut von einem zweypfündigen Aal unter die Hände und zugleich dachte ich an den Streit meines Gönners, bey der Aalpasteten.
Ich nahme mir daher vor, diese Haut auf das Sorgfältigste zu beobachten, um zu erfahren, ob dieselbe Schupen habe oder nicht. Anfänglich, da ich sie überhaupts übersehen, ware es mir ohnmöglich etwas Schuppenähnliches zu erkennen.
Ich fieng an zu muthmassen, daß vielleicht der Aal nicht groß genug möchte gewesen seyn; bald hernach aber nahm ich das suchglaß, wiewohlen ebenfalls vergeblich; bis ich endlich ein kleines stückgen eines Zollgros, unter das Muschenbrockisch zusammengesetzte Mikroskop legte, und wiewohlen nur mit Numer 6. als der allerschlechtesten Vergrösserung betrachtete, um einen grossen Fleck auf einmal übersehen zu können. Hierdurch entdeckte ich nun verschiedene quer gegeneinander lauffende striche. s. fig. b. nnd diese liessen mich muthmassen, daß etwann eine Haut über der ganzen Decke der Schuppen liegen möchte.
Meine Meynung betrog mich nicht. Denn als ich etwas von der Haut einige stunden in warm Wasser gelegt, und dasselbe hernach mit einem Federmesser abgeschabt, das Stückgen Haut aber mit dem Suchglas gegen das Licht gehalten hatte, so sahe ich es mit braunen Flecken und kleinen Pünktgen c. bedeckt, an Farbe aber strohgelb.
So wenig Trost mir nun dieser Anblick zur Zeit noch verschafte, so wenig ließ ich mich doch von weiterer Nachforschung dadurch abschrecken. Ich weichte es vielmehr abermalen im Wasser ein, und da ich es nach Verlauf einer stunde wieder heraus genommen, und es von dem sich darauf gezeigten neuen schleim gereiniget hatte, entdeckte ich endlich die kleinen schuppen, welche das bisgen Haut, wie ein stückgen weisses Elfenbein, ansehend machten fig. d. Lässet man nun diese Haut nur in etwas trocken werden, so springen die Schuppen selbst in die Höhe, welche aber darum sich nicht sogleich abnehmen lassen ohne zerbrochen oder zerrissen zu werden, sondern sie wollen etwas genetzt und auch naß oder feucht, zwischen die 2. Gläßgen im Schieber, gebracht seyn, damit sie gleich aufzuliegen kommen, indeme sie sich sonsten wie ein Horn krümmen. Eine solche Schuppe nun vom Aal, siehet der g.L. bey a. in ihrer natürlichen bey e. aber in derjenig vermehrten Grösse, wie mein Numer 2. mir solche als mit unzählich groß und kleinen Eyförmigen schildern bedeckt, erkennen lassen. Leuwenhoeck ist also hierdurch gerechtfertiget, mein Gönner und mit Ihme andere Widersprechere überwunden, und damit erwiesen, daß der Aal gewiß nicht unter die im 3. und J. Buch Mosis verbottenen Fische zu zählen seye. Ob aber die Aale gesund oder ungesund zu essen? überlasse ich billig denenejnigen Herren Gelehrten zu beantworten, denen es Ihr Beruff erfordert, dergleichen zu untersuchen und zu bestimmen.