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Ledermüllers Ergänzungen, Schluß-Brief

Schluß-Brief

Ohngeachtet ich Ihnen schon so vielerlei Haare zugeschickt habe, daß Ihnen endlich ein Ekel damit verursachet werden solte, mehrere anzusehen; so weiß ich doch zum Voraus , daß Sie dasjenige welches ich Ihnen dermalen zugedacht habe , eben so wohl aufnehmen werden, als angenehm mir dieses Geschenke gewesen ist, da ich es von einem werthen Freund, dem Herrn Straßkirchner, sehr würdigen Provisor in der Hochfürstlichen Hofapotheke zu Bayreuth, sowohl natürlich als in einer sehr feinen Zeichnung erhalten habe.

Es ist also auf der
XLIX. Tafel Ein Haar von einem Rehbock,
dessen Struktur und Ansehen von allen andern Haaren gänzlich abweicht.

Titel der Tafel: Ein Haar von einem Rehbock
Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig

Um mir nicht abermals den ungerechten Vorwurf aufzubürden, als ob ich mich fremder Zeichnungen und Augen bediente, welches ein einigmal zu Schulden gekommen ist; so habe ich diese Beobachtung selbst wiederholt, gezeichnet und in gegenwärtigen getreuen Abriß gebracht, der zugleich die ganz besondere Spize a. mit vorstellet welche an des Herrn Straßkirchners Zeichnung fehlte. Sodann folgt das Mittelstücke, oder der dickeste Theil b, und das Wurzelstüke c. an welchem die Wurzel des Haare zu sehen ist. d. ist endlich die natürliche Gröse des Haars selbst. Das ganze äussre Nez, oder die Beschaffenheit dieser Rehbockshaare bestehet aus regelmäsig geflochtenen Sechsecken, von unten biß zur äusersten Spize des Haars. Und diese Sechsecke sind wiederum mit sehr feinen Nerven, oder Saftgefäsen durchflochten, so man aber nur durch Numer oo. erkennen kan. Ich weiß, Sie werden dieses Objekt mit Vergnügen betrachten. Gleichwie auch folgende, so mir von eben diesem werthen Freund zugeschickt worden. Sie finden solche in 2. Figuren oder Zeichnungen auf der
L. Tafel

Titel der Tafel: Zusammengesetztes blaues Salz und Sauerkleesalz
Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig

Nemlich:
Figur l. Ein zusammengeseztes blaues Salz.
und
Figur 2. Sal Acetofellae, oder das Sauerkleesalz.
Ich gestehe gerne, daß ich und mehrere Personen gezweifelt haben, ob man ein blaues Salz durch die Kunst zu Stande bringen könne, dessen Kristalle die Farbe im Mikroskop, wegen der Durchsichtigkeit, zeigen und behalten? Da ich nun meine Gedanken diesem geschikten Freund eröfnete; so schrieb er mir nachstehenden Brief, den ich Ew. mit Vergnügen mittheile.

Ew. ec. haben in Dero werthesten Schreiben erwähnt, wie Sie nicht glaubten, daß ein blaues Salz exstieren könte; ich nehme mir aber die Freyheit, Ihnen hiervon ein Specimen zu übersenden. Es ist solches eine Solutio veneris in alcali volatili urinoso, und ich glaube, daß Liebhaber des Microscopii so vieles daran zu bewundern finden werden, als an andern mit Metallen und einem salzsauern gemachten Salze. Ich muß indessen aufrichtig gestehen, daß, ob ich zwar solches anfänglich für eine sehr leichte Sache hielt, ich mich dennoch in meiner Meinung sehr geirret habe. Ich machte allerlei Versuche, davon mir mehr, als zehen fehl geschlagen sind. Die übrigen zeigten sich zwar in der Solution blau; allein es fehlten, hernach die Kristallen, so, daß ich schon anfing an der Möglichkeit zu zweifeln, ein dergleichen Salz vor das Mikroskop zu bringen. Endlich glückte es mir doch; und es soll mich erfreuen, wann ich etwas zum Vergnügen Ew. ec. und anderer Herren Liebhaber solcher Beobachtungen, hierdurch werde beigetragen haben. Wenigstens läßt sich daraus abnehmen, wie ein Sal alcali volatile sich kristallistire. Hier haben Sie die Verfertigung selbsten.
Ich nahm reines, flüchtiqes Hirschhornsalz,. (Sal volatile Cornu Cervi) ein halbes Quintgen und dünne lamminirtes Kupfer, 15. Gran, welches mit der Scheere zu kleinen Stückchen zerschnitte, und beides in ein Gläschen mischte, so ich mit einem Kork, und sonst wohl verwahrte. Hierauf brachte ich ohngefehr 6. biß 8. Tropfen eines guten Spiritus Salis armoniaci vinosi daran, um die Solution desto besser zu bewerkstelligen. Das Mixtum stelte ich ein wenig in die Wärme; jedoch ist hierbei zu observiren, daß man es nicht zu warm werden lasse, ansonsten echappirt das Sal volatile. Wollen Ew. ec. mit beikommenden Specimine einen Versuch machen; so belieben Sie solches ein wenig, jedoch wohl verstopft, zu wärmen, und alsdann mit einem Hölzlein einen starken Tropfen auf den Schieber zu bringen. Solten wider Vermuthen die Kristallen nicht stark genug sein, so können Dieselben das Auftragen des Tropfen wiederholen, und zum anfeuchten des Salzes, wie schon gedacht, 6. biß 8. Tropfen Spir. Sal. Armon. vinosi gebrauchen, auch, da sie es nöthig finden, ein paar mehr oder weniger. Nur belieben Sich dieselben wohl vorzuschen, daß es nicht gänzlich solvirt werde, sonst gelingt es nicht nach Wunsch. Vielleicht kan ich mit einem rothen Salze in balden ebenfals an die Hand gehen.
Bayreuth den 25. April 176Z.
Straskirchner.

Ich habe also weiter nichts beizutragen, als daß ich Sie, mein liebster Gönner, selbsten auf meine Zeichnung verweise, welche Sie gewiß bewundern werden. Die Farbe Fig. 1. kan man wol nicht höher treiben. Sie bleibt beständig und zwar so schön und durchsichtig, als der allerkostbarste Saphir. Es sind oben und unten zugespizte Achtecke, welche sich bald vor sich, bald seitwärts sehen lassen. Eine Configuration aber habe ich nicht daran bemerken können.

Die 2te Figur zeigt die Konfiguration und Kristallen des Salis Acetofellae oder Sauerkleesalzes.
Acetofella, oder Alleluja, Lujula & Juiliola, auch Trifolium acetosum seu acidum flore albo & purpurescente, Trifolium cordatum & cordiale zu Deutsch, Buch- oder Buschampfer, klein Waldsauerampfer, Buchklee, Buchbrod, Saurklee, dreyblätterichter Gauchklee, Haasenklee, Gukguksklee, Herzbrod sc. ist dasjenige bekannte Officinal-Kräutchen, aus welchem dieses Salz gemacht ist. Wollen Sie es nachmachen, so unterscheiden sie es nur von dem gemeinen grosen, oder wilden Sauerampfer, Acetosa vulgari seu majori; so werden wir vermuthlich einerlei Beobachtungen finden.
Die Configuration und Kristallisation findet sich hieran zu gleicher Zelt. Die erstere stellet artig geästete Bäumchen a. theils mit, theils ohne Laub vor;
Die Kristallen aber sind entweder lange viereckichte Stäbe, wie Liniale b, oder rautenförmige oben und unten in sehr spizige Winkel zulaufende Vierecke c. Worunter einige den Selenitten d. sehr gleich kommen. Es ist schon lange, daß ich Ihnen keine Salze überschikt habe, und weil diese Tafel das dritte Fünfzig meiner Mikroskopischen Ergäzungen vollständig macht; so wolte ich mit dieser gewiß nicht ganz gemeinen Beobachtung den Beschluß machen, und auch das Sauerampfersalz, welches sich ebenfals unter dem Mikroskop recht schön ausnimmt, den blauen zum Ueberfluß noch mit anfügen.

Sie werden dieses als ein Zeichen meiner aufrichtigen Ergebenheit ansehen, mich Jhrer beständigen Wohlneygung empfolen sein lassen und versichert sein , daß ich mit vollkommenster Hochachtung beharren werde ec.
Ew. ec.
Martin Frobenius Ledermüller.