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Ledermüllers Ergänzungen, XI. Brief

XI. Brief.

Ich habe Ihnen neulich in einem meiner Briefe gemeldet, daß mir von Sr. des Herrn Geheimen Rath von Gleichens Excellenz, nebst den Zeichnungen des Universal Mikroskops, auch zugleich ein paar besondere Beobachtungen zugcschickt und mitgetheilt worden, mit der gnädigen Erlaubnis, solche auch andern Gönnern und Freunden bekannt zu machen. Weil nun Se. Erccllenz, zugleich eine ausführliche Beschreibung mit beyzufügen, Sich gefallen ließen; so will Ihnen solche von Wort zu Wort, nebst einer getreuen Abbildung, hierbey übersenden und Ihrer Prüfung überlassen. Die
XVIII. Tafel Der Meelthau oder Moos auf einem Birnblat.

Titel der Tafel: Der Mehltau oder Mooß auf einem Birnblat
Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig

In dem ziemlich unfruchtbaren und dürren Sommer des 1761sten Jahrs haben die häufig gefallene schädliche Regen, oder sogenannte Meelthaue das Laub fast an allen Arten von Bäumen dergestalten verdorben, daß man im August und September die meisten Blätter abgestorben, welk, oder mit rothen Flecken besprengt, gesehen hat. Ja so gar fand man viele Eichbäume in den Wäldern in ganzen Strichen, welche eben so aussahen, als im Frühjahr, wenn das junge Laub erfrohren ist.
Jn der Mitte des Augusts aber erblickte ich unter vielen andern sehr befleckten Blättern eines Birnbaums am Spalier ein Blat, dessen Mitte eine braunrothe Erhöhung hatte. Ich betrachtete dieses Blat mit dem bey mir gehabten Suchglaß, und wurde einiger weißen noch mehr erhabenen Ausgewächse gewahr. Als ich nun diese zu Hause mit stärkern Vergrößerungen beobachtete, so sahe ich gar bald, daß nicht nur diese weißen Erhöhungen moosichter Art waren; sondern daß solche auch häufigen Saamen über das ganze Birnblat ausgestreuet hatten. Ich habe geschwinde eine genaue Abschllderung gemacht, welche ich Denenselben hierbey mit vielem Vergnügen mittheile, und überlasse, ob Sie in Ihren Nachlesen etwa Gebrauch davon machen wollen.
Die erste Figur zeigt das Stückchen Birnblat in natürlicher Grösse; Figur 2, aber etwas vergrößert. Durch die rothe erhabene und hole Rinde desselben, sind die Moospflanzen in glockenförmiger Gestalt heraus gewachsen, wovon oben am Stiel des Blates, sich noch zwey vollkommene und unaufgesprungene zeigen.
Die grössere und dritte hat sich hingegen schon von einer Seite loß gemacht. Und die übrigen sind gar abgefallen, und haben da, wo sie gestanden und geblühet, mit Saamen erfüllte Gruben, oder Vertiefungen hinterlassen.
Eine jede solche Moospflanze bestehet, wie sie bey Figur 3. sehen werden, aus vielen gewundenen Röhrchen, davon ich eines Figur 4. stark vergrößert besonders abgebildet habe. Sie vereinigen sich sämtlich an ihren obern Theilen, und machen vermuthlich in der obersten Hülle der Glocke das Behältnuß des Saamens; weil allda der meinste Saamen gefunden wird. Der Saame aber selbst mit deßen Staubkörnern, ist nußbraun, mit dunkeln Punkten versehen, wovon einige Figur 5. stark vergrößert Denenselben sich vor Augen legen werden.
Hier ist nun die Frage: Wo ist der erste Saame dieser Gewächse auf dieses Birnblat gekommen, da der Anfang der auf solchen vorgegangenen Vegetation allein dem darauf gefallenen Meelthau zugeschrieben werden muß? Dürfte man bey dergleichen Beobachtungen von der Würkung auf die Ursache schließen; so würde ich sagen: Der sehr harte, doch ungemein leichte und dem bloßen Auge gänzlich unslchtbare Saame, ist über Winter in der Erde gelegen, durch die Sonne mit den Erddünsten in die Höhe gezogen worden, und mit dem Meelthau, der vielleicht allein fähig und nöthig ist , die wachsende Kraft in ihm zu erwecken, wiederum herabgefallen. Jedoch dieses ist eine Muthmaßung, wovon jeder so viel glauben kan, als ihm gefällig ist, und worüber ich mit Vergnügen Dero eigene Gedanken erwarte,
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von Gleichen, genannt Rußwur
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So begierig Se. Hochfreyherrliche Excellenz sind, diese Frage ausgelößt zu haben, so begierig war ich vor einigen Wochen, eine Frage von eben dieser Art beantwortet zu wissen. Ich erhielt in meinem leztern Fieber verschiedene Arzneyen aus der Apotheke, worunter auch Mixturen waren, welche nebst andern aus verschiedenen Vegetabilischen Wassern zusammen gesezt werden.
So fleißig nun diese Gläßer mit Korkholz und Blaßen zugebunden und verwahrt wurden, so war doch in Zeit von 6. Tagen auf der Flache zweyer solcher Mixturen, im wohlverwahrten Glase, eine Anfangs weiße Haut vom Byssus befindlich, welche nach Verlauf dreyer Tage vollkommen reife Schimmelsaamenkapseln und Staubkörner hervorbrachte, die anfänglich grün, nachgehends aber braun wurden.
Nun fragt es sich, wie kam der Schimmel oder Byssussaame in das so sorgfältig verwahrte Glas, das in keine freye Luft gekommen, sondern im Zimmer stehend geblieben ist?
Vielleicht ist dieser Saame bey der Zubereitung schon in der Apotheke mit in die Gläßer gekommen, wo ohnehin verschiedene Dinge aufbehalten werden, die zur Schimmelfrucht geneigt sind; oder es muß der Saame auch in meiner Stube herum gestäubt, oder derselbe schon in den Dingen selbsten verborgen gewesen seyn, die man zur Zubereitung dieser Arzeney genommen hat. Urtheilen Sie, mein Freund, über alles dieses. Lesen Sie zugleich noch einmal die Erklärung meiner zweyten Kupfertafel des ersten fünfzig, und die schöne Erfahrung des Hrn. Gleditschens über die Erzeugung der Pfifferlinge, so Sie in dem Hamburgischen Magazin und dessen 8ten Theil, Seite 409. finden können; so werden Sie ebenfalls am Ende mit ihm ausruffen müssen:
O! Welch erstaunliche Kleinigkeiten! Und welche wunderbare Menge vollkommen organisirter Körperchen, deren hundert tausend kaum den vordren Theil eines Sandkorns ausmachen! Nichts destoweniger sind sie in ihren Gattungen und Arten auf das genaueste von einander unterschieden! Diese kleinen Pflanzen leben in der Luft, sie verschwinden aus unserm Gesichte, und sie hängen sich überall an todte oder lebendige Thiere und Pflanzen an. Wir ziehen sie mit der Luft durch Mund und Nase, in uns Hinein, ohne das geringste davon zu wissen; alle unsere Nahrungsmittel, all unser Getränke wimmelt davon, und mit dem Essen und Trinken verschlucken wir sie.
Doch um Ew. nicht von der folgenden Beobachtung aufzuhalten, so lesen Sie auch hier die von Sr. Excellenz angestelte Beobachtung des weisen Kornwurms, mit dessen eigenen Worten. Die
XIX. Tafel Der weiße Kornwurm.

Titel der Tafel: Der weiße Kornwurm, eine Beobachtung des Freiherrn von Gleichen.
Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig

So ein allgemein bekanntes Übel auch dieser kleine Hausdieb ist; so wenig ist er es jedoch nach seiner wahren Gestalt. Ich selbsten habe diesen hungerigen Gast schon vier Jahr auf meinem Boden, ohne die genaue Bekanntschaft mit ihm gemacht zu haben, die mir jezt das Vergrößerungsglas verschaffet hat.
Der Herr Kammerherr von Geer hat zwar eine Beschreibung und Abzeichnung dieses Wurms in den Abhandlungen der Königl. Schwedischen Akademie der Wissenschaften gegeben; gleichwol wird man die meinige nicht für überflüßig halten, wann beide gegeneinander gehalten werden.
Es scheinet vielmehr, daß des Herrn von Geers Vergrösserungswerkzeug nicht so eingerichtet ist, daß er bey diesem etwas grossen Objekt derjenigen Genauigkeit folgen können, die ihm bey kleinern so eigen ist.
Die Anzahl aller Theile des Wurms hat er zwar wohl beschrieben; aber die Abzeichnung und die Beschreibung ihrer wahren Gestalt ist nicht so richtig ausgefallen.
Auf der Kupfertafel Fig 1. ist die natürliche Grösse des Wurms viel zu groß, und die zwölf Abtheilungen Fig. 2. desselben so vorgestellet, als wann sich jede mit einem Ringe anfieng; auch ist der Kopf nicht genugsam mit der Haut der ersten Abtheilung des Körpers bedecket, die nicht, wie er vermeint, hornartig, sondern so weich ist, als alle übrige Theile des Leibes. Endlich sind die zwey braunen Flecken hinter dem Kopfe nicht auf der Haut des erstern Glieds, wie Herr von Geer gesehen hat, und die zwey Theile des Zangengebißes an demselben sind ebenfals anderst gestaltet, als er Sie Fig. 3. vorgestellet hat.
Ich will aber numnehro von diesem Wurm kürzlich eine solche Beschreibung machen, wie meine eigene Beobachtungen, die ich mit demselben angestellet habe, mir an die Hand gegeben haben; alsdann will ich von den Vertilgungsmitteln, welche hier und da vorgeschlagen worden, um denselben auszurotten, ebenfals aus eigener Erfahrung noch ein und anderes anfügen.
Die natürliche Gestalt, Farbe und Grösse dieses Insekts, zeigt die 1. Figur; und so siehet man es mit bloßen Augen.
Vergrössert aber durch ein Streicherisches Glaß Numer 4., vermittelst meines Universal-Mikroskops, habe ich Fig 2. und 3. abgebildet.
Der Kopf bestehet Fig 2. aus zwey hornähnlichen braunrothen Schaalen a.
An beiden Seiten desselben werden acht schwarze Augen b. gesehen, viere in zwey Reihen, und unter jedem Fühlhorn eben so viel im halben Zirkel. Die beiden durchsichtigen gelben Fühlhörner c. sind zweygliedricht, kegelförmig, und am Ende mit feinen Haaren bewachsen. Sie erscheinen bald länger, bald kürzer, und öfters wann sie ganz hinein gezogen werden, gar nicht.
Neben denselben sind die beiden gezackten, harten, schildgrotähnliche Schaufeln d. mit denen der Wurm die Fruchtkörner und das Holz benaget. Gleich unter selbigen ist das Maule, und wiederum unter solchem das Spinngeräthe f, wovon die zwey Arme, wie sie dann und wann znm Vorschein kommen, mit zwey durchsichtigen weißen Zacken oder Zahnen, welche vermuthlich die Dienste der Finger verrichten, hier vorgestellet werden.
Die Haut des Körpers ist eine Art Pelz, oder wie semmelfarber wollenfälbel; auf dem Rücken aber dunkler als auf dem Bauche.
Er hat zwölf Abtheilungen. Die erste, oder oberste bedecket den Hals und ein Drittel des Kopfes. Weil die Haut hier sehr durchscheinend ist; so sieht man durch solche zwey gelbe Flecken des Halses, die mit dem Kopfe einerley Bewegung haben.
Die zwey weißen Fäden, welche über die beiden Schaalen des Kopfes bis zu den Fühlhörnern laufen, sind unter solchen wiederum mit dem Körper vereiniget, und gleichsam zwey Schlingen, womit die Schaalen des Kopfes bevestiget sind.
Ich habe sie abgeschnitten, um mich dessen gewiß zu versichern. Wird der Wurm umgewendet, und auf den Rucken gelegt Figur 3.; so kan man in die Höhlung der schildgrotähnlichen gezackten Schaufeln, oder Schaber, hinein sehen.
Die Fühlhörner stehen nechst daran in ihren Vertiefungen, und unter jedem die vier Augen. Das allermerkwürdigste aber ist das Spinngeräthe zwischen den beiden Kopfschaalen.
Der mittlere Theil desselben gleicht einem zusammengeschnürten ledernen Beutel g. an dessen obern Theil drey gelbe Spizen, jede mit einem feinen Haar am Ende, zu sehen sind.
Diese sind hier gewissermaßen nichts anders, als was wir bey dem Melkvieh die Striche nennen.
Wann der Wurm den Beutel weit über die Schaufeln hinausstreckt, der aber hier in der zurückgezogenen Laage vorgestellet ist; so kommen zugleich die zwey nebenstehende unten mit dem Beutel zusammengewachsene Arme mit hervor, die aus drey Gliedern und (ich weiß sie nicht besser zu benennen) zwey durchsichtigen Fingern zwischen zwey sehr feinen Haaren bestehen.
Diese zwey Arme drucken den zugespizten Beutel; worauf denn aus einer der gelben Spizen, auch öfters aus allen dreyen zugleich, eine weiße durchsichtige Feuchtigkeit trit, und an der Haarspize, als ein Tropfen Wassers zusammen läuft h.
Dieses ist nun der Rocken, aus welchem die Seide mit den zwey durchsichtigen Gliedern, die ich Finger nenne, gesponnen wird.
An den drey ersten Ringen, oder Abtheilungen des Körpers, sind sechs dreygliederichte durchsichtig blaßgelbe und weiche Füße i, von denen einer Figur 4. vergrößert zu sehen ist. Das mittlere Glied ist mit Haaren besezt, welche aus einem besondern mit Blasen besezten weißen Boden herausgewachsen zu seyn scheinen.
An dem dritten, oder obersten zugespizten Gliede, ist eine hornähnliche Klaue, die, wo sie angewachsen ist, gckrümmet werden kan.
Der vierte und fünfte Ring hat keine Füße; ein jeder des sechsten, siebenden, achten und neunten Ringe aber hat zwey plattrunde, dicke, weißgelbe und weiche Füsse, oder Stuzzen k. Das untere Theil, oder die Ballonförmigen Sohlen, sind blasicht, und mit siebenzehen auswärts gebogenen braunrothen Krallen bewafnet, davon ich eine Fig. 5. vergrößert vorgestellet habe. Der Wurm kan diese Füsse dergestalt zusammen ziehen, daß sich die Krallen an den Krümmungen, oder wo sie gebogen sind, vereinigen, nicht anderst als wann sie zusammen geschnüret wären; wodurch die weiche Erhöhung des Ballens, wann sich der Wurm damit forthelfen will, beschützet wird.
An dem lezten Ringe sind noch zwey andere Füße, welche den Solen der Menschenfüße sehr ähnlich sehen 1, an deren obern Theil aber nur zehen solche Krallen stehen.
Aus den Falten zu beiden Seiten der Ringe, gehen einige feine Haare hervor, die vermuthlich an den Oefnungen der Luftröhren stehen, welche Oefnungen eben der vielen Falten wegen, ohnmöglich gesehen werden können.
Ich hoffe diesen Oekonomiefeind so abgeschildert zu haben, daß er nun eben so kenntlich seyn wird, als der Dieb in einem Steckbrief.
Dieses ist die einige Rache, die ich dermalen für die Verwüstung, die er auf meinem Kornboden angerichtet hat, an ihm ausüben kan. Denn alle andere Mittel, wodurch ich seiner los zu werden geglaubet habe, sind leider biehero vergeblich gewesen
von Gleichen genannt Rußwurm.

Nota. Ich habe für überflüßig erachtet, die übrigen Anmerkungen hier mit anzufügen, da solche nicht zu meiner Absicht gehören. Ich will sie aber kurz zusammen fassen. Der vornehme Herr Verfaßer hat alle nur mögliche Ausrottungsmittel gebraucht; aber vergeblich. Er widerlegt daher, was der Herr von Geer und andere gerathen,und gibt bey nahe seinem alten Haußvogt Recht, der alle solche gedruckte Recepte in Oekonomischen Sammlungen für unbrauchbar ansieht. Ein anders sey in Gläßern, wie Herr von Geer, Versuche anstellen, ein anders aber auf großen offenen Kornböden. Ich hoffe, Sie werden an diesem kurzen Auszug genug haben, und glauben, daß ich von ganzem Herzen bin ec. ec.
M. F. Ledermüller

Nachschrift.
Ich habe neulich, als ich Ihnen die achte Tafel, nehmlich die Vorstellung der Spitze einer gesottenen Rindszunge überschickte, aus der Acht gelassen, Denenselben noch eine andere mit dazu gehöriger Zeichnung zu überschicken, nehmlich: die hier auf der
XX. Tafel Sehr stark vergrößerte Hackenpapille, oder Warze der Rinds-Zunge, mit und ausser ihrer Scheide.

Titel der Tafel: Sehr stark vergößerte Hackenpapille oder Warze der Rindszunge, inn- und ausser ihrer Scheide.
Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig

Diese Warzen stehen in Menge mehrentheils krumm gebogen, oder sichelförmig auf, und von der Spitze der Zunge und deren beiden Seiten bis bey nahe gegen die Mitte derselben, wie ich sie bereits Figur A.D.E.F.G.H.K. auf der XCIV. XCV. und XCVI. Tafel meiner Mikroskopischen Ergözung, vorgestellet hab, in reihenförmiger Ordnung.
Hier ist sie mit der 1. Figur noch in ihrer Scheide angezeigt und bey der 2ten Figur auser derselben abgebildet worden.
Wann sie noch in der Scheide ist, kommt sie an der weisen Wand dem Horn eines jungen Stiers ähnlich.
Die äusere Decke, welche man ebenfals mit der Schale eines Horns vergleichen kan, hat ungemein viele Dunst- oder Schweißlöcher an ihrem ganzen Körper.
Wann die Zunge gesotten ist, so kan man die an der obersten Spitze einer solchen Hackenpapille befindliche Sauggefäße, oder Saftröhrchen, welche einen blutrothen Flecken vorstellen, und ohne Zweifel zur Empfindung des Geschmacks die ersten Werkzeuge sind, nicht mehr erkennen, die ich auf der XCIV. Tafel Figur B. obgedachter Ergötzung angemerket habe. Denn sie sind ln diesem Zustande vertrocknet, und lassen sich nur als gerad herab laufende vertiefte Linien betrachten.
Ist aber die Warze ausser ihrer Scheide, welches gar leicht durch das absieden der Zunge, und nachmalige abziehen der äussersten Haut bewerkstelliget werden kan; so ist freilich dieselbe ganz anderst beschaffen.
Sie ist alsdann gar nicht sichelförmig, sondern richtet sich steifer in die Höhe, wie die 2te Figur Ihnen zeigen wird; und man kan so fort die Warze selbst, als den Kopf, oder obersten Theil, mit seinen vielen kleinen Löchern und der Röhre, so aus den feinsten Haarröhrchens zusammengefügt zu seyn scheinet, deutlich sehen. Ich habe diese Beobachtung mit dem Pistill vieler Blumen, besonders der Pomeranzen- und Zitronenblüthen sehr ähnlich befunden, deren Wärzgen, oder Griffel ebenfals aus vielen kleinen Öffnungen, der Stiel aber aus unzählichen der feinsten Haarröhrchen bestehet.
Diese zwey Figuren zeichnete ich vermittelst des Sonnenmikroskops durch Num 5. ab, und entfernte mein Reisbret nicht weiter von dem Vergrößerungs Glas, als etwa eines Schuhes weit, um das Bild auf dem Pappier nach der mir erwählten Größe zum abzeichnen zu erhalten.
Es wird sich aber bey einer weitern Richtung, z. B. von 18. bis 20. Schuhen, an der weisen Wand in einer ungleich stärkern Vergrößerung, und in der Höhe und Dicke des stärksten Mannes sehen lassen, ohne darum etwas von seiner Deutlichkeit und Schärfe des Umrisses zu verliehren; wie solches, viele hohe Personen und geneigte Gönnere bey mir zum öftern mit angesehen haben.
Preißen Sie, mein Freund, mit mir den allerweisesten und unbegreiflichen Baumeister so vieler tausend herrlicher und großer Meisterstücke in Werken, die kaum unserm blosen Auge sichtbar, öfters aber gänzlich verborgen sind. Lassen Sie uns ihm den reinsten Dank abstatten, daß er dem Menschen das Vermögen beygelegt hat, solche Werkzeuge zu erfinden, womit wir das entdecken können, was unsern Augen verborgen war, und wodurch die Allmacht unsers ewigen Schöpfers sich uns täglich mehr und mehr veroffenbaret. Mich dünkt, dieses sind die Pflichten eines ächten Liebhabers der Naturkunde und der Mikroskope, der bey dem sehen auch zu denken, und das angenehme mit dem nützlichen zu verbinden verlanget. Ich bin ec.
Bayreuth, May 1762. Ledermüller.