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Ledermüllers Ergänzungen, XX. Brief

XX.Brief

Abermalen werden Sie in dieser lezten Sammlung keine Zeichnung von mikroskopischen Instrumenten mehr erhalten. Alles, was ich noch übrig habe, sind blose Veränderungen, mit denen ich Ihnen keinen Ekel machen wolte. Das Compositum, oder Zusammengesezte, ist Ihnen aus hundert andern Abzeichnungen schon bekannt, und die XIV. Tafel wird diesen Abgang einigermassen in dem von Gleichenischen Universal-Mikroskop ersezen.
Ich werde denselben vielleicht einen grösern Gefallen erweisen, wann ich Ihnen noch ein paar sehr geschickte und berühmte Künstler anzeige, bei denen Ew. ec. alle nur mögliche Arten von den neuesten Universal-Mikroskopen um billigen Preis erhalten können.

Der eine ist Herr Samuel Gottlieb Hofmann, Mathematikus und Optikus in Leipzig, der nicht allein das Lieberkühnische verbessert, sondern auch ein vortrefliches Universale erfunden hat, wovon dieselben ein mehrers in dem Neuesten aus der anmuthigen Gelehrsamkeit vom Jahr 1761. Seite 398 nachlesen können.

Der andere, Herr Johann Michael Milchmayer, Stadtuhrmacher, Optikus und Mechanikus zu Frankfurt am Mayn, hat mir selbst ein sehr bequemes Zirkelmikroskop, mit dem silbern Holspiegel und dem untern Erleuchtungstpiegel nebst 6. feinen Gläsern um einen ungemein billigen Preiß gemacht. Es ist sehr wenig von dem Universal-Mikroskop des Herrn G. R. von Gleichen unterschieden, sonst hätte ich Ihnen eine Zeichnung davon überschickt; wiewohl derselbe mich schriftlich ersucht, solange mit dessen Abzeichnung noch zurücke zu halten, bis er mir etwas noch feiners von seiner Erfindung würde zugeschickt haben. Mir hat besonders ein Gedanke in seinen Briefen, die er an mich geschrieben, wohlgefallen womit er sich über die Erfindung neuer Mikroskope also erklärt:
Wann das Verbessern, oder das Ab- und Zuthun bei einmal bekannten Instrumenten, eine neue Erfindung heißt, so getraue ich mir in ein paar Tagen ein halb hundert neue Mikroskope zu erfinden.
Dieser geschickte Künstler hat es so weit gebracht, daß auch vornehme Gönnere, Gedichte auf seine Geschicklichkeit, zu seiner Ehre verfertigen und drucken liesen. Und diese beide Männer haben nicht Hände genug, alle diejenigen Bestellungen zu liefern, welche ihnen noch täglich von allen Orten zukommen.

Und nachdem Sie den Kopf mit dem äusern herzförmigen Kragenstücke der Flüge bereits von mir erhalten haben; so ist es billig, daß ich Ihnen mein Versprechen zu erfüllen, nun auch die übrigen Theile nachsende. Sie finden also hier auf der
XLI. Tafel Den Rücken der Flüge.

Titel der Tafel: Der Rücken der Fliege
Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig

Ich habe denselben nur durch eine schwache Vergröserung durch Numer 7. abgebildet; weil der Raum des Pappiers eine grösere Vorstellung nicht gestatten wollen. Es zeigt aber a noch etwas von dem herzförmigen Bruststücke, an welchem unten die sechs Füsse bevestiget sind.
Gleich unten daran stehet man zu beiden Seiten, die zwei ausgespannten Schallhäutchen b mit welchen, vermittelst der Flügel, die Müken das gewöhnliche Geläute, oder Gesumse machen. Durch Numer oo. erkennet man, daß sie aus sehr vielen runden Theilchen, wie Staubperlen, bestehen, und mit einem Rand, oder Saum, ringsherum, eingefaßt sind. Sie sind an Farbe weißgelb und dem Pergamente ähnlich, allezeit aber ausgespannt, und etwas einwärts gegen den Bauch zu, gebogen.
c. Sind die beiden Flügel, so oben an der Brust a. angewachsen sind, und welche ich besser auf der LIIIsten Tafel meiner mikroskopischen Ergözungen, abgebildet habe.
e. Bezeichnet endlich den Rücken mit feinen Haaren und braunen Flecken. Seine Farbe ist weder blau, noch grün ; sondern schillert in das stahlgrün und in die dunkle Mausfarbe. Er ist von oben bis unten mit krummen spizigen Haaren, oder Federn besezt, hat viele Einschnitte, oder Abtheilungen, und auf einer jeden ein paar braune, folglich acht Flecken.
Die Gestalt und Farben dieser Geschöpfe ist so verschieden, als ihre Arten und Classen. Schwammerdam hat vierzehen, Hufnagel fünf und zwanzig gemeine, und dreißig seltene, Goedart aber acht und Vierzig Arten von Fliegen gesammlet, ohne die kleinen aus den Weiden, wie auch den Warzen der Brennnesseln, der Blätter der Eichen, der Hahnebutten, und die sich ihre Nester von den Flocken des Cottuns machen, und nicht gröser als ein Hirsenkorn sind. Wie dann auch die Tipula, Speckfliege, Erdschnake, oder grose Fliege, ingleichen die Ross- Küh- und Schunttfliegen ihre besondere Arten haben. Nun soll aber Ihnen auch die
XLII. Tafel Die ganze Fliege von der Seite der Brust und des Bauches
zeigen.

Den Kopf a habe ich schon neulich beschrieben, wohin ich mich also beziehe; das herzförmige Rückenstück b aber macht hier die dunkelbraune Brust, welche mit einer harten haarichten Hornhaut bedekt ist: Auf derselben sizen die 6. Füsse c und an beiden Seiten, nahe am Rücken, die zwei Flügel d. Unter der Brust wo sich der Bauch anfängt, siehet man die zwei Schallhäutchen e, und endlich folgt der Unterleib f mit seinen vier Abtheilungen, welche aber auf einem mit Eiern stark angefüllten Bauch, kaum wegen ihrer Ausdehnung zu erkennen sind. Von den Füssen hat ein jeder sieben Gelenke oder Glieder, vom Schenkel g angerechnet. Seze ich die Hülse dazu, so aus der Brust gehet, und worinn der dikeste Theil, oder der Schenkel i. wie in einer holen Nuß ruhet; so sind es 8. Gelenke, deren jedes mit krummen steifen Haaren stark besezt ist. Zu unterst an dem siebenden Glied stehen zwei krumme einwärts gebogene Krallen, und zwischen diesen ein paar weise blasenähnliche Ballen h. Viele wollen glauben, daß die Fliege vermögend sei, einen klebrichten Saft durch die Dunstlöcher dieser Ballen zu lassen, um sich auf glatten Wegen, und besonders an den Fenstern und Spiegeln desto vester erhalten zu können. Man kan auch die obschon äuserst feinen Dunstlöcher an diesen Kugeln, durch Numer o. gar deutlich sehen.
Nun muß ich noch etwas von den drei glänzenden schwarzen Punkten gedenken, welche Swammerdam und viele andere, für Beiaugen angesehen und erkennen wollen. Ich lasse einem jeden gerne seine Meinung, und bin bei solchen Kleinigkeiten gar nicht eigensinnig; dafür aber begehre ich die Freiheit, die meinige ebenfals sagen zu dürfen. Diese bestehet nun darinnen, daß ich diese schwarzen glänzenden und erhöhten Punkte deswegen für keine Augen halten kan, weil ich nicht die allermindeste Bestimmung, oder einigen Nuzen davon sehe.
Sie stehen in der Mitte zwischen und nächst den beiden großen Augen; und mit diesen kan die Müke schon genugsam ober sich, vor sich, hinter sich und auf alle Seiten, vermög der vielen Augen sehen, mit welchen, wie Sie bereits wissen ein jedes Seitenauge, ohnehin versehen ist.
Ueberdleß haben diese Punkte mit nichts weniger eine Aehnllchkeit als mit Augen. Dann wann man mehr, als eine Müke, beobachtet, und das Vergrößerungsglas geschickt gebrauchen kan; so wird man deutlich sehen, daß bei vielen Fliegen, mitten auf einem leben dieser schwarzen Punkten, oder Hügeln, ein steifes schwarzes glänzendes Haar stehe. Es können also drei zur Zierde, oder zu einem andern Endzwecke bestimmte glänzende schwarze Tuberculi, oder Blätterchen sein, welches ich wenigstens lieber vermuthen, als glauben will, daß die Natur so kostbare Glieder, der Fliege solte zum Ueberfluß auf den Kopf gesezt haben.

Titel der Tafel: Die ganze Fliege von der Seite der Brust und des Bauches
Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig

Ich melde Ihnen noch am Schlüsse der Erklärung, dieser 42ten Tafel, daß ich eine der kleinsten Stubenfliegen dazu genommen, und solche durch eine gar schwache Vergrößerung beobachtet und abgezeichnet habe.
i Stellet die natürliche Größe davon vor, und k die Puppe; l aber die Made, welche aus dem Mückenei m kommt, sich zur Puppe verwandelt, und endlich aus ihrer Hülse als Flüge i erscheinet.
Ob Schwammerdam endlich recht oder unrecht geurtheilt habe, wann er von den Müken sagt, daß sie zweimal als Puppen zum Vorschein kommen, und zwar das erstemal im Ei, welches von der weiblichen Flüge gelegt wird, und woraus sie als eine Made kommt; das anderemal aber als eine Crysallis, in welcher die Müke verborgen liegt? überlasse ich Dero reifern Beurtheilung. Mich dünkt, daß ein großer Unterschied zwischen dem Ei und der Puppe zu machen sei, wovon ich mich bei einer andern Gelegenheit umständlicher erklären werde.
Zum Beschluß dieser Erklärung will ich Ihnen ein Billet übersenden, welches mir von meinem Herrn Verleger zugeschrieben worden, so allerdings einer besondern Aufmerksamkeit werth ist. Hier sind dessen eigene Worte.
Als ich verwichenen Sonnabend die ganze Mücke durchgezeichnet, und auf die Kupferplatte gebracht hatte; so untersuchte ich zu meinem Vergnügen die mir von Euer ec. zugeschikte Zeichnung ebenfals mit dem Vergröserungsglase. Da ich öfters einen angenehmen Zeitvertreib finde, wann ich eine von Denenselben erhaltene Observation, oder Zeichnung, auch nach der Natur betrachten kan; so habe mich dann auch mit der Müke beschäftigt, welches Insekt in meinem Zimmer bald zu finden ist. Ich nahm mit diesem artigen Thiere eine jämmerliche Zergliederung vor; allein dessen Schmerzen brachten mir ein groses Vergnügen, dann ich bemerkte an demselben einen noch sehr merkwürdigen Theil. Solte es wohl dem g. L. überflüssig scheinen, wann ich ihn auf Dero XLIIsten Tafel noch mit anzubringen suche? Ich glaube nicht, zumal da solches der Raum der Kupferplatte gar wohl zuläst, so wie Euer ec. hiermit ersehen, daß ich nicht das mindeste an Dero übrigen Zeichnung verändert habe ec.
Diese Wahrnehmung bestehet in einer sehr kleinen Figur, welche dem natürlichen Auge, zumal wann sie vorhero nicht gezeigt wird, wo sie stehen soll, kaum sichtbar ist. Dann das feinste Haar ist nicht so dinne, als diese Theile sind, auf welchen oben ein etwas dickeres Bläschen sizt. Die ganze Figur bestehet aus einem einzigen Glied, und ist nicht länger, als ein schmahler Messerrücke breit sein mag. Diese Theile kan die Fliege nicht verkürzen, noch verlängern. Anch sind diese Glieder an allen zweigefiügelten Müken zu finden; und zwar sind selbige unter den zwei Schallhäuttchen an dem Kragenstuk b angegliedert, so , wie ich sie Tab. XLII. Fig. A. hinzu gesezt habe. Die Farbe davon ist etwas dunkler als bei den Schallhäutchen. Wann sie aber mit einem zarten Zänglein von der Müke abgenommen, und unter das Mikroskop gebracht werden; so fallen solche dem Auge noch viel dunkler, als man es auf der Müke mit der nehmlichen Vergröserung betrachtet, und zeigen sich daran sehr feine Haare; doch habe ich diese nicht an der ganzen Figur, sondern nur an manchen Orten finden können. Zuweilen sieht man auch in den Bläschen verschiedene Adern oder Saftgänge, und dieses mehrentheils, wann ein solches Theilchen auf dem Schiebergläschen zerdrükt wird, welches mit einer mehr weis, als gelblichten Feuchtigkeit angefült ist. Es zeigt sich solche in dem Mikroskop, wie ein feines Gewebe vom gesponnenen Glase. Die Bewegung dieser kleinen Theilchen ist wegen ihrer erstaunenden Geschwindigkeit sehr zu bewundern, wovon die natürliche Gröse bei B. zu sehen ist. Fig. C. weiset ein solches Theilchen vergrösert mit meinem Mikroskopio Composito durch No. 5. wie es an der Müke sich noch befindet, und D. gibt zu erkennen, wie sich solches durch No. 1. darstellet, wann es von der Müke abgenommen worden ist. Das Bläschen habe mit 1. und den Stiel, welcher an dem Bruststüke hänget, mit 2. bemerkt. Bei dem abnehmen dieses Glieds muß man sehr behutsam umgehen, wann es in keine andere Form, als ich es bei D. abgebildet habe, gebracht werden soll. Diese zwei Glieder, bewahrt die Müke vor aller Nässe sehr sorgfältig, welches man nicht beßer wahrnehmen kan, als wann derselben die Flügel sammt den Schallhäutchen weggenommen, und sie selbst auf ein Wasser gesezt wird. Alsdann zieht sie in solcher Gefahr diese zwei Bläschen so in die Höhe, als wie wann die jungen Knaben auf dem Wasser schwimmen, und zwei Blasen um sich hängend haben. Das aller merkwürdigste aber von diesen zwei Theilchen, welche ich jezo Luftbläschen nennen will, ist, daß sie die Fliegen in der Luft erhalten.
Diese Beobachtung verdienet nachgemacht zu werden welches gar leicht ohne Vergröserungsglas, vermittelst eines guten Auges, geschehen kan. Wann man einer Fliege diese zwei kleinen Theile mit einem feinen Zänglein abnimmt, ohne, daß das mindeste an den Flügeln verlezt noch die Müke gedrukt wird; so ist sie sogleich unvermögend zu fliegen oder sich mehr in der Luft zu erhalten. Man hat aber darauf zu sehen, daß diese Bläschen samt dem Stiel ausgerissen werden; dann sonst behält sie noch einige Kraft zum fliegen; welches mir zwar unter mehr, als hundert Wiederholungen, nicht einmal begegnet ist. Bei dieser Operation läst sichs nicht wohl vermuthen, daß der Schmerze vom ausreißen dieser Luftbläschen die Kraft zu fliegen verhindern solte. Dann wann man einer Müke die 6. Füse mit den zwei Schallhäutchen abreist, oder auch sogar den ganzen Unterleib; so fliegt sie doch nach solchen Verlust so hurtig hinweg, als wäre ihr nichts geschehen, dieses mögte ihr aber nach meinem Begrife ungleich größern Schmerzen verursachen, zumal da die Schallhäutchen fast an den Flügeln sizen, und hingegen diese kleinern Theile noch viel weiter davon entfernet sind, daß sie also den Flügeln wenig Kraft oder Saft benehmen werden.
Auch habe ich um mehrere Gewißheit zu erhalten, viele Müken nach dem ausreisen dieser Theilchen unter einem Glas mit gutem Futter 3. Tage, und einige 8. Tage aufbehalten; daher zu glauben ist, daß sich in solcher Zeit der Schmerze oder die Wunde solte verlohren haben; Allein ich fand, daß sie eben so wenig als gleich nach dem ausreissen fliegen konten. Diese Wahrnehmungen habe ich alle an der gemeinen Stubenmüke richtig befunden, und es läst sich schlüßen, daß sich solche auch an den übrigen Arten nehmlich an denjenigen, welche nur zwei Flügel tragen, nicht viel anders verhalten werden. Doch ich will dieses nicht gewiß behaupten; weil ich noch nicht alle Geschlechte untersuchen konte. Die Zeit war mir zu kurz, da dieser Textbogen schon unter der Preße war. Doch vielleicht ist meine Betrachtung vermögend, den Naturliebhaber zu viel wichtigern Untersuchungen aufzumuntern; mir selbst aber, hat sie Gelegenheit zu einer Abhandlung gegeben, welche ich nicht zurücke halten würde, wann ich ihr den Schmuck einer gelehrten Feder geben könte. Indessen hoffe hier nicht zu weit gegangen zu sein, und verbleibe mit wahrer Hochachtung
Euer ec.
Nürnberg den 2o. August. 1762.
A. W. Winterschmidt.

Nota

Wenn Ew. ec. des Herrn Winterschmidts Wahrnehmung an den Fliegen ebenfals prüfen werden, so müssen Sie ohnfehlbar mit mir zugeben, daß solche richtig und die angezeigten zwei Theilchen nicht sowohl die von Swammerdamm und fast allen andern Naturforschern angemerkte Hämmerlein sind, womit alle Insekten mit zwei Fliegeln, ihr Geläute oder Gesumse machen, sondern daß sie auch allen diesen Kreaturen dazu dienen, daß sie sich damit im Flug und freier Luft, im Gleichgewicht erhalten können. Denn es ist nichts gewisseres, als daß, so balden denen Fliegen diese 2. Hämmerlein oder Balancirstänglein benommen worden sind, sie keiner Spannen hoch mehr in die Höhe fliegen können, sondern wie die Flöhe und andere springende Insekten, nur Hüpfen oder springen müssen, welches ich nunmehr an vielen Fliegen geprüft und wahrgenommen habe. Daß aber auch diese zwei Theilchen den Schall zu machen, dienen müssen, habe ich daraus geschlossen, weil sich das eigentlich wahre Geläute oder Gesumse der Fliegen, verliehret und nur das schwache Geräusche übrig bleibt, welches sie mit denen beeden Fliegeln machen, wann diese zwey Hämmerlein ausgerauft oder ihnen genommen sind. Man kan dieses am sichersten erfahren, wann man zwey Fliegen, eine mit und die andere ohne diese zwey Glieder, vor die Ohren hält, da sich alsdann der Unterschied des Schalls, gar deutlich ergeben wird. Ich habe diese Hämmerlein bereits Tab. LXXXV. meiner Ergözung, an der Schnakenmüke vorgestern, und werde sie künftig an einer andern besondern Fliege noch deutlicher anbringen.
M. F. Ledermüller.

Titel der Tafel: Ein Zwergschnitt von einem Tannenaste
Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig

Bis dahin lege zur Abwechselung etwas aus dem Pflanzenreich mit bey, und soll die
XLIII. Tafel Einen Zwergschnitt von einem Tannenaste
zu ebenmäsiger Erfüllung meiner leztern Zusage, nachbringen. Dieser siehet nun ganz anderst aus, als der gerade abgeschnittene Spahn, den ich Ihnen auf der XLsten Tafel geschickt habe, und solte man glauben, es wäre ein neumodischer Sonnenfächer von geflochtenen Bast, oder spannischen Rohre. Den ganzen Querschnitt habe ich bei Fig. 1. in natürlicher Größe abgezeichnet, woraus Sie die Dicke und das Alter des Astes erkennen werden; indem dessen 26. Ringe, oder Zirkel, die Zahl von eben so vielen Jahren anzeigen.
Der Fig. 2. vergößert abgebildete halbe Zirkel, ist durch das Vergrößerungsgläschen Numer 1. beobachtet, und von mir sorgfältigst nachgezeichnet worden. Es sind hier nur drei Jahrgänge, oder Ringkreise von dem Mittelpunckte, oder dem Mark angezehlet, so sie hier sehen.
Ich wünsche, daß Dieselben Leuwenhöks Figur dagegen halten möchten, um den Unterschied desto klarer zu erkennen, welcher sich zwischen unsern beiderseitigen Beobachtungen alsdann ergeben wird. Jener hat nichts, als Ringlein, oder runde Köcher vorgestelt, da doch in der That die Beschaffenheit dieses Holzes vielmehr aus ablangen viereckigen Öffnungen, oder in das Kreuz geflochtenen Gefäschen bestehet, die sich besser sehen, als beschreiben lassen. Ein jeder Jahrgang, oder Kreis hat einen merklichen Absaz von viel engern zusammen geflochtenen Fasern, welche das Geflechte eines Zauns a vorstellen, und die übrigen Röhrchen gleichsam zusammen halten. Ich habe 4. Arten von Gefäsen daran wahrgenommen, erstlich das blasen ähnliche Mark im Zentro, oder Mittelpunkte b. Zweitens die perpendikular laufenden zarten Röhrchen c. Drittens die etwas dicker und ebenfals aus dem Marke gerad zur Peripherie, oder dem Umfang fortgehenden Luftgefäse d. (trochae) welche gleichsam Segmente oder Abschnitte formiren, und endlich viertens horizontal, schreg, oder im Zirkel herum laufende Röhrchen, oder Fasern e. Da ich gesonnen bin, in einer besondern Ausgabe alle bekannte Holzarten durch die besten Vergrößerungsgläser künftig abzubilden, und der zwei bekannten Männer, Malpighs und Leuwenhoeks Beobachtungen dabei zum Grunde zu legen; so bitte ich Sie, mein Gönner, mir bis dahin mit denen übrigen Anmerkungen, die ich bei dieser Observatlon hätte beifügen sollen, gütige Nachsicht zu schenken.
Dafür theile ich noch eine andere Erfahrung aus dem Pflanzenreiche mit, die auf der
XLIV. Tafel Etwas weniges vom Korngrase oder dem Blat eines Kornhalms
darstellet.

Titel der Tafel: Etwas weniges vom Korngrase oder dem Blat eines Kornhalms Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig

Ich habe mir schon zum öftern vorgenommen, Ihnen eine völlige Zergliederung des Korns zu übersenden; ich fand aber stets so viele Bedenklichkeiten dabei, daß ich endlich auf den Entschluß fiel, diese mühsame Arbeit in einer besondern Abhandlung, denenselben mitzutheilen, und nächstens zu überschicken, wovon bereits über siebenzig Figuren von mir zu Pappier gebracht, und gezeichnet worden sind. Bis dahin werden Sie sich mit der Vorstellung begnügen laßen, welche ich auf dieser vier und vierzigsten Tafel abgebildet habe, und die den bewundernswürdigen Bau der Kornblätter, oder, wie man insgemein zu sagen pflegt, des Korngrases, vor Augen leget. Dasjenige Theilchen, so ich vom Blat genommen habe, werden Sie bei A. in natürlicher Gröse, bei B. aber in der Größe die das Suchglas erkennen lies, und endlich bei C. durch Nummer oo. beobachtet, abgebildet finden. Ich habe es von einem bereits ziemlich ausgetrockneten Strohhalm genommen, und daran zwei Häutchen auf einander liegend gefunden, wovon das untere a ganz ungemein zart , dinne und durchsichtig, und mit vielen kleinen perpendikular durchlaufendenden Haarröhrchen besezt ist. Das obere dickere Häutchen C besteht aus verschiedenen Gefäsen, und zwar aus starken gerad, oder perpendikular durchlaufenden dicken Ribben, oder Röhren b, welche mit vielen tausend kleinen eiförmichen Theilchen c angefüllet sind, und ferner aus den Spiralgefäsen d die sich wie ein gewundener Rasch, oder Silberdrath, ansehen lassen, und mit ganz besondern Valvuln durchflochten sind, die ich für die Poros oder Luftlöcher des Blates angesehen habe. Es lässet sich überhaubt dieses Blat schöner durch das Vergrößerungsglas ansehen, als nachzeichnen, und überdiß können Sie auch zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Alter der Blätter, verschiedene Veränderungen daran wahrnehmen. Dann wenn das Blat noch jung ist, so hat es sehr feine und wie Silber, oder durchsichtig Glas anzusehende dornenähnliche Haare, oder Hacken zu beiden Seiten des Randes und auf der ganzen Oberfläche, und die durchlaufenden Saft, Luft- und Absonderungsgefäse sehen auch ganz anderst aus, als bei ausgewachsenen, und wieder anderst in dürren Blättern. Am prächtigsten erscheint es vor dem bewafneten und forschenden Auge in seiner Kindheit, wann das erste zarte Blätchen aus dem Keim hervor
gekommen, und mehr roth als grün noch anzusehen ist. Dann zu dieser Zeit stellet sich das ganze Blätchen, unter einem guten Zirkelmikroskop mit zwei Spiegeln, so prächtig dar, als wann es mit Silber und Gold durchwürkt wäre. Die zarte Wolle offenbaret die hellesten Silberhaare, und die Safttheilchen, womit es dichte angefüllet ist, lassen sich, als eben so viele goldene Kugeln betrachten, die durch purpurrothe Röhren hindurch laufen. Von diesem allen werde ich, wie ich schon gedacht habe, zu seiner Zeit genauere Nachricht ertheilen.
Indessen belieben Sie auf der
XLV. Tafel Die Haken, und einige andere Theile von der Klette
anzusehen.

Titel der Tafel: Die Haken und einige andere Theile von der Klette
Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig

Diese nüzliche und in unsern Apotheken so bekannte, als gemeine Pflanze, ist Ihnen unter dem Titel Bardana viel zu bekannt, als daß ich Ihnen erst eine Beschreibung davon machen solte. Unter den vielen Arten, davon die bekanntesten die Spiz- Leber – Roß- Igels – Buzen- auch grosse und kleine Kletten sind, ist gegenwärtige von der lezten, nehmlich eine kleine, wie ich sie in natürlicher Größe mit a. angezeigt habe. Von dieser habe ich einen Haken genommen, womit die ganze äußere Schaale derselben bedekt ist, und solchen bei b. durch Numer 3. vergrößert vorgestelt, woraus dieselben deutlich genug absehen werden, daß deren krumme Haken, wann sie dürre, oder zeitig werden, stark genug sind, sich so veste an unsere Kleider, oder an die Wolle der Schaafe und andere Thiere zu hängen. Theilet man nun eine ganze Klette in der Mitte c. so wird man darinnen kurze gelblichte Haare, oder Wolle d. finden, welche den Samen bedecken, und durch obgedachte Vergrößerung einen Zweig, zu beiden Seiten mit sehr spizigen Dornen, oder Stacheln besezt vorstellen, wie die Figur e zu erkennen giebt. Die bei f. in ihrer natürlichen Gröse vorgestelten Samenkörner, davon man einige noch mit dem Papus oben, andere aber ohne denselben findet, habe ich zum Überfluß vergrößert bei g. mit angefügt. Das Mark aber in den Stengeln der Klette hielt ich für überflüssig mit abzuzeichnen; weil es eben so unter dem Vergrößerungsglase erscheint, als das Mark der Disteln, so ich auf der 91sten Tafel meiner mikroskopischen Ergözungen abgebildet habe.
Hingegen wird Ihnen auf der
XLVI. Tafel Das Mark des Kalmus
ganz andere Bilder vor die Augen bringen.

Titel der Tafel: Das Mark des Kalmus
Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig

Schöner kan man wohl nichts sehen, denn hier erscheint Ihnen ein großer runder Plaz mit bleichrosenrothen Perlen, um sechseckichte Zellen gefaßt. Wann Sie nur das Scheibchen, oder den Schnitt recht fein, und so dinne, als möglich, von den Kalmusstengel abnehmen werden, so müssen Sie ein gleiches sehen. Ohne Zweifel werden Sie schon wissen, was ich unter dem Wort Kalmus verstehe, nehmlich den Acarum verum, oder Calamum aromaticum, Akerwurz, Akermann, eine sehr bekannte faserigte Wurzel, welche besonders gern in kleinen Teichen und Graben wachst, und eine der besten Magenarzneien ist. Die Farbe des Marks fält in das Rosenrothe, welche man in dem Vergrößerungsglase gar deutlich erkennen kan, und wodurch man zugleich sehen wird, daß es aus sechseckigten Zellen bestehe. Das natürliche Theilchen finden Sie hier bei a; die Vergrößerung aber durch Numer 2. an b. und die am stärksten durch oo. vergrößerten Sechsecke und Warzen mit c. und d. abgeschildert. An der Rinde, oder dem äußersten Rande e. sind diese Sechsecke viel dichter beisammen und kleiner. Die perlenförmigen Theilchen sind nichts anders, als Röhrchen, welche in sechseckigter Ordnung weiter auseinander stehen; die andern aber, so Warzen vorstellen und Gefäse sein, befinden sich enger beisammen, und in der Runde herum, gleichwie ich zu mehrerer Deutlichkeit durch beide Figuren f.g. noch mit angemerket habe. Und h. sind endlich zerrissene Oefnungen, oder Löcher, dergleichen dem Gesichte verschiedene vorkommen, und von dem Messer im abschneiden geschehen, zur Substanz des Kalmus aber nicht gehören.
Endlich folgt noch eine Beobachtung aus dem Pflanzenreich, so auf der
XLVII. und XLVIII. Tafel die Tulpe, und etwas besonders an ihrem Blumenstaub
enthält.

Ob ich schon verschiedene Blumen und deren Theile, besonders in dem 1. und 2ten fünfzig meiner Mikroskopischen Ergözung zergliedert, nebst ihrer Befruchtungsart, vorgestellet habe; so bin ich doch noch niemals auf die Gedanken gekommen, den Tulpenstaub zu untersuchen. Indem ich nun eine gute Anzahl von den schönsten Tulpen zur Zeit ihres Flors, erhielte; so nahm ich zum Zeitvertreib eine nach der andern vor mich, und beobachtete ihre Staubgefäße, anfänglich nur mit unbewafneten Auge, dann mit den Suchglase, und endlich durch die höchsten Vergrößerungen. Ich entdekte damit, daß viele derselben zweierlei Staub auf ihren Beuteln tragen. Was mich aber am meinsten vergnügte, war der Anblick eines Tropfen Wassers auf dem Schiebergläschen, in welchem etwas vom Tulpenstaube befindlich war. Was ich sonst bei einem andern Blumenstaube nach nicht bemerkt habe, das sah ich hier mit Verwunderung, daß er nehmlich das Wasser nach der Farbe seiner Körner tingire. Und da ich in der That in einer Tulpe Staubkörner von zweierlei Farben sah, welche auch auf dem Schiebergläschen das Wasser auf zweierlei Art färbten; so glaubte ich, Euer ec. einen kleinen Gefallen zu erweisen, wann ich Ihnen diese Beobachtung ebenfals bekannt machen würde.
Zu dem Ende habe ich auf der
XLVII. Kupfertafel Eine roth und gelbgestreifte Tulpe
abgebildet.

Titel der Tafel: Die Tulpe und etwas besonderes an ihrem Blütenstaub
Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig

Diese Blumen gehören, wie bekannt, zu den Geschlecht der Hermaphroditen. Ihre sechs Blatter machen den Kelch derselben, und an dem Fuß eines jeden Blates, stehet ein Staubträger a. mit seinem Staubbeutel b. um den Pistill oder Stempel c. im Kreiß herum. Dieser Pistill hat anfänglich ein dreifaches Wärzchen d. gleich einem dreifach gedoppelten Hahnenkamm, so aber, wann die Befruchtung geschehen ist, sich in sechs solche kammähnliche Theile entfaltet, wie auf der XLVIII. Tafel die Figur a. anzeigen wird. Daselbst habe ich auch gewiesen, daß die Staubbeutel vierblätterigt sind, und sie zugleich nach verschiedenen Wendungen Fig. b. c. abgebildet, worunter bey c. besonders zu sehen, wie diese vier Blätter 1.2.3.4. auf der sehr feinen und elastischen Spize des Beutelträgers stehen, und sich an derselben herum drehen können. Die rükwärts geöfneten Blätter, sind mit 3. 4. bemerkt, so wie die vordern mit 1. 2.

Titel der Tafel: Die Tulpe und etwas besonderes an ihrem Blütenstaub Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig

Wann nun diese Staubgefäse ihre Dienste gethan haben, so werden sie welk und verdorren; hingegen schwillt der Eierstock d. alsdann immer mehr auf, und wird diker und länger. Oefnet man ihn ein paar Tage nach der Befruchtung, so siehet man drei doppelte Lagen, oder Reihen von befruchteten Embryonen, wie ein Zwerchschnitt davon bey e. und f. diese sechs Eierstöke vorstellen wird. Schneidet man aber denselben perpendikular durch g, so sieht man auch die Befruchtungsgänge deutlich, welche von einem jedem Wärzchen h. i. k. von oben an, und dann zur Seite, zunächst an den Embryonen vorbei biß in den Stiel der Tulpe hinunter laufen. Das dritte Paar der Eicrstöcke werden Sie sich selbst bei k. vorstellen können, weil es hier nicht möglich war, sie zugleich mit sichtbar zu machen; sondern nur der oberste Theil des dritten Wärzgen angebracht werden konte. Die Figur l. stellet etwas von dem getheilten Stiel vor, um zu zeigen, wie weit die Eierstöcke hinunterlaufen; m. aber bemerkt die Embryonen, wie sie durch ein gutes Suchglas sich erkennen lassen, wodurch man schon gar deutlich sieht, daß ein jeder Embryo an einem zarten Stilchen bevestiget sei, und daß sie wie kleine Teller, oder runde Käschen geprest liegen. Die Figur n. entdekt einen solchen Kanal, oder ein dergleichen Befruchtungsröhrchen, das oben vom Hahnenkamme biß unten in dem Stil hinab, und an den Eierstock vorbeilauft.
Den zweifarbigen Staub, davon einige Körner gelb, andere purpurfarb sehen, habe ich endlich fig. o. abgebildet, und zwar natürlich, bei p. aber durch die Linse Numer 2. vergrösert, aus verschiedenen Tulpen von mancherlei Farben. Der Staub von dieser abgeschilderten Tulpe ist mit q. und r. angemerkt, der mehrentheils wie spizig zugeschliffene Juwelen gebildet ist. Er verliehrt aber, wenn er genezt wird, diese zugespizte Gestalt, und wird rund f. t. jedoch mit dem merkwürdigen Umstande, daß, ob zwar alsdenn diese Kugeln alle blaßgelb erscheinen, die aus denselben hervordringende Substanz dem ohngeachtet verursachet, daß der Tropfe Wasser die Farbe der Staubkörner, und mithin rothe, blaue, gelbe, grüne, purpur- und sonst andere prächtige Farben bekommt.
So zeigt zum Beispiel die Figur u. die mit einem Tröpfgen Wasser benezte Staubkörner, von der gegenwärtigen Tulpe; die Fig. x. hingegen eben dergleichen angefeuchteten Staub aus einer andern gemeinen gelben Tulpe. Der erste hatte zweifärbige Feuchtigkeiten, nehmlich purpur und goldgelb; der andere aber gab nur einen gelben Saft von sich.
Ich könnte Ihnen noch manche Erfahrung mitthcilen, welche ich mit diesem Staube angestellet habe; ich will aber Kürze wegen Ew. nur ein einiges nicht gar gemeines Kunststükchen eröfnen, womit Sie diese Farben noch auf vielerlei Art verändern können.

Nehmen sie eine Handvoll Bresilholzspähne, und giesen frisches reines Wasser, so viel genug ist, daran. Wann das Wasser schön roth ist, so muß es zum Gebrauch abgegossen werden. Von diesem rothen Wasser nehmen Sie ein Spizgläschen voll vor sich, und lassen einige Tropfen distillierten Essig hinein fallen; so wird augenblicklich die rothe Farbe sich in eine gelbe verwandeln. Werden Sie aber an dieses nun gelbe Wasser, ein paar Tropfen vom Oleo tartari bringen, so wird es wieder roth, wie zuvor. Und so endlich vom Spirit. Vitrioli etwas in dieses rothe Wasser gegossen wird, so bekommt es die Farbe eines goldgelben Spanischen Weins. Sie können dieses auch an dem Tulpenwasser versuchen ec.
Indessen ist es einmal Zeit, diesen langen Brief zu schließen. Leben Sie allezeit recht wohl.