Stichworte: Historie, Ledermüller, MikroskopieBewie's Mikrowelt

Ledermüllers Nachlese, VII. Brief

VII. Brief

Sie wissen, daß ich gerne alles das nachhole, was zur Vollkommenheit der Geschichte eines Insekts, einer Pflanze, oder einer jeden andern Kreatur dienen kan.
Da mir nun während der Zeit, als ich den Keim des Koffees Tab. XCVII. und XCVIII. in meinen Mikroskopischen Ergötzungen vorgestellet hatte, verschiedenes zu Gesichte und unter die Hände gekommen, welches man als Beiträge zur Geschichte dieses Baumes gebrauchen kan; so habe ich nicht ermangeln wollen, Ihnen solches ebenfals mitzutheilen.
Denn da ich verwichenen Sommer in den hiesig Hochfürstlichen Naturalienkammern beschäftiget war, und bey dieser Gelegenheit den darinnen befindlichen Bücherschrank öfnete; so erblickte ich, unter andern kostbaren und zur Naturgeschichte gehörigen Büchern, auch ein sehr schönes Manuskript, des nun seel. Herrn Stadt-Syndikus Kleins zu Danzig, in welchem ich, nach vielen andern botanischen Beobachtungen, den Wachsthum des Kaffeebaums, den er selbsten gezogen, sehr ausführlich beschrieben gefunden, wobey ein fein gemahltes Blat befindlich war, davon ich Ihnen auf der X. Kupfertafel das beste und nöthigste ausgezeichnet habe.
Herr Klein hat sich am Schlüsse diefer Beobachtung also ausgedruckt:
„Beym Koffeebaum ist noch ein besonderer Umstand zu merken, daß man an, und auf demselben nie, weder eine Baumlauß, denen andere ausländische Gewächse doch unterworffen sind, wenn er auch mitten unter diesen stehet, noch einiges anderes Ungeziefer, und was noch mehr ist, keine einige Spinne, noch ihr Gewebe wahrnehmen wird; ferner, daß weder eine Fliege, noch Wespe, weder die schädlichen Gartenwanzen und kleine Käfer sich an dessen Früchte jemals wagen, sogar, daß wann eine Fliege sich etwa auf ein Blat setzet, sie sich gar nicht auf demselben verweilet, sondern davon eilet. Ist also der Koffeeträger: Ein reiner und keuscher Baum.“
Wer muß nicht sagen, daß dieses dem Koffeebaum gar zu sehr geschmeichelt heisse? Es wäre zu wünschen, daß so schöne Worte mit der täglichen Erfahrung übereinstimmten. Allein wer in eine grosse Baumschule von Koffeestauden, oder Bäumen gehet, wer ein weitläuftiges Glashaus besucht, worinnen fünfzig, sechszig und wohl hundert und mehrere Koffeebäume stehen, der wird bey ihrer Betrachtung und genauern Untersuchung ganz anderst, als Herr Syndikus Klein, urtheilen müssen.
Liebster Freund! es ist öfters recht betrübt anzusehen, wenn man bey Besuchung eines solchen Glashauses zuweilen zwanzig, dreysig und mehrere Bäume, die miteinander zu verderben scheinen, und nichts, als den kahlen Stamm mit verdorrten Blättern zeigen, erblicket. Siehet man sich nach der Ursache dieser Niederlage um, so ist es ein sehr kleines Inseckt, eine Baumlauß, welche mit viel tausend andern diesen Baum besetzt hält, das Holz durchnaget, die Blätter, Blüthe und Früchte auslaugt, und ein wahrer Feind dieses edlen Gewächses heißen kan. Oben auf den obersten Gipfeln der Koffeestauden, oder Bäume, halten sich diese Kreaturen am liebsten auf; weil da die Blätter am weichsten und zärtesten sind.
Herr S. Klein hat bey seinen paar zarten Bäumchens die er zu ziehen das Glück gehabt hat, gar leicht von diesem Inseckt befreyt bleiben können.
Ganz anders aber verhält es sich mit alten und vielen Koffeebäumen, an denen ich leider! mit eigenen Augen ein so betrübtes Schicksaal gesehen, und verschiedene von diesem so höchstschädlichen Inseckt selbst zur nähern Untersuchung mit mir aus dem Hochfürstlichen Garten nach Hause genommen habe.
Ich schicke Ihnen hier auf der
IX. Tafel Eine getreue Abbildung der Koffeebaumlauß.

Titel der Tafel: Eine getreue Abbildung der Koffeebaumlauß
Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig


Bey a. sehen Sie eine alte Heckmutter, von der äussersten, jedoch natürlichen Grösse. An b. so ein verdorbenes Stückchen Holz vom Stamme des Koffeebaums ist, werden Sie einige kleinere mit c. bemerkt finden, die sich sehr fleißig bey ihren Eyern und Jungen aufhalten. Sie fressen sich ordentlich einen Kanal im Holz aus b. darinnen sie Jhre Eyer verwahren, welche sie mit einer sehr zarten schneeweisen Wolle bedecken. Diese Wolle macht, daß das Inseckt selbst zweyerley Farbe zeigt, und bald weis, bald braun ist.
Figur I. stellet eine solche Lauß, mit ihrer Wolle bedeckt, vor. Sie hat ohne den Kopf, funfzehen Ringe, oder Abtheilungen, und am äussersten Theil eines jeden Rings eine spindelförmige Spize von weiser Wolle, welche vermuthlich aus den Luftröhrchens heraustrit. Daher sieht diese Kreatur, wie ein kleiner weisser Schneestern, oder Flocke, aus, d. Diese Wollenspizen kan das Inseckt verlängern, und verkürzen, und einen starken Ueberzug, oder eine Decke über seine Eyer daraus machen, so, wie ich bey g. mit einem noch anhangenden Faden, ein solches Nest etwas vergrößert, abgebildet habe. Es hat zwey viergliederige Fühlhörner, die mit Haaren besezt sind, zwey braune Augen, einen kurzen Stachel zum bohren am Maul, sechs Füsse, deren jeder 4. Glieder und 2. Krallen hat, und eine Legröhre f. wodurch es seine Eyer legt. Da ich diese nicht an allen gefunden; so habe ich nicht unbillig geschlossen, daß dieses das Weibchen seyn müsse. Das Geschlechts-Zeichen der Männchen aber habe ich an keinem finden können, so viel ich deren auch untersuchte.
Ist es von seiner Wolle frey; so hat es eine braungelbe Farbe, und man siehet alsdenn sowohl auf dem Rucken , als auf dem Bauch eine vertiefte Linie, vom Kopfe bis zum Ende des Leibes, senkrecht herunter laufen.
Der Bauch siehet sehr aufgeschwollen, breit und fett aus, besonders oben an der Brust, e. fig. 2. Man wird aber die Ursache leicht begreifen können, wann man die Menge von Eyern überlegt, die eine in unsern Augen so schlechte Kreatur bey sich hat.
Ich habe von ohngefehr zwischen den zwey Glasern im Schieber eine solche Lauß zerquetscht, und über hundert Eyer in dem zerdrückten , sehr durchsichtigen Körper h. gezehlet, in dessen Mitte i. ich einen hochrothen Flecken entdeckte, den ich für das Herz, oder den Magen hielt; weil er sich sehr lange mit hin- und herziehen krampfartig bewegte. In einigen von diesen Eyern sah ich würklich die Embryonen liegen, die andern aber waren durchsichtig. Wenn sie ihre Eyer Eyer legt; so bringt sie allemal 50. bis 60. miteinander, und diese sind des andern Tags schon lebendig, und schwärmen um die Mutter herum. Urtheilen Sie nun, werthester Freund, aus dieser erstaunlichen Vermehrung, wie geschwinde dieses Insekt einen ganzen Baum überziehen und zu Grunde richten könne.
Ohnmöglich kan ich unterlassen noch anzumerken, Kreaturen von eben dieser Gestallt als die Koffeelaus ist, auch an denen Fichtenbäumen gesehen zu haben. Ich vermuthe daher mit vielem Grund, daß dieses schädliche Inseckt von denen Gärtnern selbst, denen Koffeestauden zugebracht werde, wann sie die Erde mit Loh oder gestoßenen Baumrinden vermengen, als in welchen Rinden und deren Poris, die bis zur Unsichtbarkeit kleinen Eyer dieser Inseckten, zu Millionen, verborgen liegen.
Ueberhaubts ist das Loh oder die klein gemachten Baumrinden voller Eyer und daher sehr schädlich mit der Erde vermengt zu werden, weilen eben dadurch denen frischen Bäumen, der allergrößte Schade zugefüget wird. Ich überlasse diese Anmerkung erfahrnen und von alten Vorurtheilen befreyten Gärtnern zur weitern Untersuchung, glaube aber dabey, daß mir keiner derselben werde Unrecht geben können.
Vermuthlich gehört es unter das Geschlecht der Kermerswürmer, Chermes pini das Fichtenkermesinseckt. Es hält sich auf denen Aesten der Fichtenbäume auf. Der Bauch ist glatt, der Rücken aber mit einer zarten weissen Wolle ganz bedeckt, sein Gang ist nicht gar zu geschwinde.
Hiemit will ich Ihnen auch noch auf dieser
X. Tafel Diejenige Mahlerey des Herrn Synd. Kleins mittheilen, mit welch er den Wachsthum des Koffees abgebildet hatte.

Titel der Tafel: Mahlerey des Herrn Synd. Kleins, mit welcher Er den Wachsthum des Koffees abgebildet hatte.
Bild aus: Der Mikroskopischen Gemüths- und Augenergötzung Drittes Fünfzig

Ich bin getreulich bey dem Original geblieben, ohne weder an den Farben, noch an der Zeichnung, das allermindeste verändert zu haben. Da er aus der Koffeefrucht zweyerley Erfahrungen genommen, und einfache, auch doppelte Pflanzen erhalten; so zeigt er bey a. einen ganzen Koffeekern, der nur einen Keim hervorgebracht, folglich nur einen Stamm gemacht hat. Er meldet dabey, daß er den ganzen gedoppelten Kern, oder die Frucht in ihren Häutchen, in die Erde gesezt habe. Einen andern Kern nahm er nach einiger Zeit aus der Erde, und sah zwey Keime aus selbigen hervor brechcn, wie die Figur b. zeigt. Dieser kam hernach wie c. vorstelt, hervor; und bekam ferner wie d. zeigt. Ein anderer, der auch Zwillinge brächte, aber ungleich aufgieng, entwickelte sich nach der Figur e. e. die zarten Blätter lagen oben, wie ein in der Hand liegendes zusammengeballtes Schweiß oder Nasentuch. Endlich kam ein anderer noch mit Zwillingen aus der Erde, dessen Keime miteinander zu gleicher Zeit in die Höhe trieben, wie f. Ihnen zu erkennen geben wird, die sich ferners nach g. oben aus der Schaale entwickelten, und endlich auch als Pflanzen h. ihre zarten Blätter hervorbrachten, an denen noch ein Kern, oder Keimblat i. zu sehen ist. Es ist also hieraus zu folgern, daß zur Hervorbringung nicht ein halber Kern, so, wie wir sie vom Kaufmanns erhalten, und brennen; sondern ein ganzer, aus zwey halben bestehender Kern, der noch mit seinen zarten Häutchen umschlossen und nicht zu alt, noch zu lange aus der fleischichten Frucht genommen worden ist, erforderlich sey. Wir schlüssen ferner, daß ein solcher Kern sowohl einfache, als gedoppelte Pflanzen hervorzubringen pflege.
Endlich finden Sie fig. k. den Blumenstaub des Koffees, der Asch-oder Silberfarb und denen Weizenkörnern ähnlich siehet. Wann aber derselbe mit Wasser oder starken Weingeist genezt wird, so gewinnet er eine runde Gestalt und giebt nach und nach seine innerliche öhlichte Substanz, gleich einem Rauch oder Dampf von sich. Die Blumen und Antheren selbsten woran dieses Meel zu finden, werden Sie auf der XCVII. Kupfertafel meiner Ergötzungen nachzusuchen belieben, und zwar fig. e.f.g.♂.♀.
Ob ich nun hieran etwas überflüßiges gethan, daß ich die Koffeelaus, die Pflanze des Koffeebaums und deren Blumenstand, als Beyträge, zur Geschichte der Koffeestaude, abgemahlt und beschrieben habe, überlasse ich Dero gütigen Beurtheilung, der ich nie aufhören werde, mit wahrer Ergebenheit zu seyn.